Vor zwei Jahren, als meine damals 5-jährige Enkelin erstmals
den Nikolaus im Kindergarten erlebte, war das eher ein Trauerspiel. Sie, die
frühkindlichen Autismus hat und deshalb auch erst seit wenigen Wochen in den
heilpädagogischen Kindergarten gehen konnte, verstand nicht, was dieser Mann
mit dem roten Mantel, dem weißen Bart, der roten Mütze und dem langen Stab dort
eigentlich wollte. Unser kleiner Schatz war zu der Zeit noch nicht in der Lage,
die Erzählungen der Erzieherinnen und der Kinder über den heiß ersehnten
himmlischen und heiligen Mann zu verstehen. Als er dann endlich kam und den
aufgeregten Kindern die Hand gab und jedem einen gefüllten Stiefel, war Marie
völlig verwirrt. Doch irgendwann war auch sie an der Reihe – aber was tat sie?
Sie gab dem Nikolaus zum Erstaunen der anderen Kinder ihren Stiefel einfach
wieder zurück, weil sie nichts damit anzufangen wusste. So etwas hatten der
Nikolaus und die Erzieherinnen auch noch nie erlebt, die sich das Grinsen kaum
verkneifen konnten.
Im Jahr darauf in der Schule, hinterließ er auch noch keinen
nennenswerten Eindruck bei ihr und vor dem zu Hause erscheinenden Nikolaus, der
zu allen Kindern im Dorf kam und von uns in den Jahren zuvor immer abbestellt
worden war, nahm sie reißaus.
ABER: In diesem Jahr, in dem die Kleine sich wunderbar
entwickelt hat, fast alles versteht und selber schon Einiges sprechen kann, war
Nikolaus der Renner. Sie freute sich riesig über jede Gelegenheit, ihm zu
begegnen, so dass wir auch ganz viele Veranstaltungen wahrnahmen, bei denen
unser autistisches Engelchen ihm die Hand geben und ein kleines Geschenk
entgegennehmen konnte. Uns ging richtig das Herz auf, wenn sie bei seinem
Anblick von einem Ohr bis zum anderen strahlte. Die Nikolausmütze mit
blinkenden Sternchen, die sie auf dem Weihnachtsmarkt bekam, wollte sie gar
nicht mehr vom Kopf ziehen, so sehr freute sie sich darüber. Wir selber freuen
uns, dass unser Schatz erstmals ein Fest, eine damit verbundene Person, ein
Brauchtum bewusst wahrgenommen hat, ohne natürlich die Hintergrundgeschichte
zur Verehrung des Heiligen zu verstehen. Aber welches Kind kann das schon,
welcher Erwachsene kennt die überhaupt?