Auf der Rückfahrt von der
Logopädie hatte Helena Marie im Vorbeifahren das Kinderkarussell mit einem
Blick erspäht, das anlässlich des Stadtfestes aufgebaut worden war. Seitdem
ließ sie ihrer Mama keine Ruhe mehr. Den ganzen Abend und den nächsten
Vormittag sprach sie – soweit sie als frühkindliche Autistin dazu in der Lage
ist – davon, auf das „Kreisel“ zu gehen mit „Fisch, Feuerwehrauto und Pferd“.
Karussell ist ein zu schweres Wort, das Helena Marie allerdings stets auch körperlich
erklärt durch minutenlanges Drehen im Kreis, ohne dabei schwindelig zu werden.
Den Delphin, das Feuerwehrauto und das Pferd hatte sie als Figuren auf dem
Karussell im Vorbeifahren entdeckt.
So blieb Mama am
Samstagmittag nichts anderes übrig, als mit Töchterchen in die Stadt zu fahren,
zumal ein dringender Schuh-Neukauf anstand. Doch von neuen Schuhen wollte die
Kleine zunächst gar nichts wissen. Nach einigen Versprechungen ließ sie sich
jedoch in den Schuhladen bewegen und fand einen neongelben Schuh, der ihr sehr
gut gefiel. Doch – es war nur einer – der rechte! Einem autistischen Kind ist
es absolut nicht klar zu machen, dass im Schuhregal immer nur 1 Schuh jeder Art
steht und der 2. an der Kasse beim Bezahlen hinzugefügt wird. Gott sei Dank gab
es diese Sorte Schuhe noch einmal in neongrün, je einen rechten in ihrer Größe
und einen rechten eine Nummer größer. So hatte Helena Marie zwei gleiche
Schuhe, mit denen sie zur Kasse gehen konnte. Dort musste Mama nun der
Kassiererin erklären, dass sie nicht 2 Paar neongrüne Schuhe kaufen wollte
sondern nur das eine kleinere Paar. Diese verstand irgendwann und stellte das
richtige Paar zusammen.
Nach dem Schuhkauf mussten
es erst einmal Pommes sein; denn der Schuhladen liegt gegenüber einem Imbiss,
wo die Kleine früher schon mehrfach Pommes bekommen hatte. Was sonst so war,
musste jetzt auch wieder so sein – das ist bei Autisten nun mal so!
Während Helena Marie an
einem Tisch, der vor dem Imbiss auf dem Bürgersteig aufgestellt war, eine
Pommes nach der anderen in sich hinein schob, obwohl sie mittags eigentlich
schon hinreichend gegessen hatte, fragte Mama sie: “Na, schmecken die Pommes?“
Die Kleine hielt inne, überlegte kurz, sagte ein klares „Nein“, packte die
restlichen Pommes zusammen und warf sie kurzer Hand in den nächsten Mülleimer.
Mama ist ja schon die Blicke anderer Leute gewohnt, die mal wieder
bemerkenswert waren angesichts dieser Aktion.
Dann ging es endlich zum
heiß ersehnten Karussell. Inzwischen ist extremer Stress vermeidbar, wenn man
vorher mit Helena klare Absprachen trifft. Mama kaufte eine Karte mit 8 Fahrten
für 10,00€ - teuer genug; aber jede einzelne Fahrt hätte 2,00€ gekostet. Nach
Beendigung jeder Fahrt muss man deutlich sagen: „Jetzt noch 7 Fahrten, jetzt
noch 6 Fahrten, … jetzt kommt die allerletzte Fahrt“. Nur dann gibt es eine
Chance, ohne riesiges Geschrei und körperlichen „Gewalteinsatz“ (der nicht
möglich, aber auch niemals gewollt ist), Helena wieder vom Karussell weg zu
bekommen.
Damit jedoch war der etwas
teure Stadtbummel noch nicht beendet. Denn in unserer Kleinstadt kennt sich die
Kleine auf der kurzen Fußgängerzone sehr gut aus. Zielstrebig steuerte sie
Ernstings family an, wo die T-Shirts draußen auf der Stange hingen. Helena
Marie liebt shoppen und neue Klamotten. Bevor Mama sich versehen hatte, hatte
unser Sonnenschein ein T-Shirt für sich entdeckt, von der Stange genommen und
zog ihre Mama mit den Worten: „T-Shirt kaufen“ in den Laden. Die lange
Warteschlange an der Kasse machte die Kleine sich noch zunutze, sich noch ein Cappy
auszusuchen. Darüber war Mama eigentlich nicht böse. Denn dieses zieht Helena
bei Sonne wenigstens freiwillig auf den Kopf, während sie ansonsten alle
anderen Kopfbedeckungen rigoros ablehnt.
Fazit: Alles in allem war
der Ausflug in die Stadt zwar etwas teurer als geplant und für Mama ziemlich
anstrengend, weil sie ständig damit rechnen muss, dass Helena völlig ausrastet
und dann nicht mehr händelbar ist (schon gar nicht allein), wenn es ihr auf
einmal zu viel wird an Eindrücken (oder man ihr Wünsche ablehnt). Andererseits
ist es so schön zu sehen, wie selbstbewusst dieses autistische Kind zeigt und
sagt(!!), was es möchte. Wir alle sind ganz stolz auf unseren „autistischen
Engel“!