Montagmorgen, 1. Tag der Herbstferien. Plötzlich ertönt aus
dem Kinderzimmer meiner 6-jährigen Enkelin mit frühkindlichem Autismus gegen
7.00h lautes Geschrei: „Mama, Schule, Schule, Schule, Mama, Schule, Schule!!!“
Ganz entsetzt hatte die Kleine auf der Uhr erkannt, dass es
Zeit war für das Schultaxi, das sie morgens um diese Zeit nun schon seit mehr
als sechs Wochen zur Förderschule abholte. Nur mit Mühe ließ sie sich an dem
von mir eigens für sie erstellten Sonderkalender von Mama zeigen, dass jetzt
ganz viele Tage kommen, an denen keine Schule ist. Ganz enttäuscht war sie, als
es ihr nicht gelang, den Zeitschieber auf die Daten zu rücken, die wieder für
Schultage stehen. Schließlich gab sie auf und stellte ihre Schultasche, die sie
schon geschnappt hatte, wieder in die Ecke.
Da meine Enkelin auf Grund ihres frühkindlichen Autismus nur
einzelne Wörter spricht, kann sie leider nicht verbal ausdrücken, warum sie so
gerne in die Schule geht. Aber jeden einzelnen Tag freut sie sich riesig
darauf, wartet schon morgens eine halbe Stunde zu früh auf das Schultaxi. Dafür
sitzt sie bei jedem Wetter auf einem Stuhl hinter dem verschlossenen Gartentor
und rennt bei Ankunft des Wagens zusammen mit Mama freudig darauf zu, um zu den
anderen Kindern zuzusteigen. Nach Auskunft des Fahrers und der Begleiterin ist
Helena Marie während Hin- und Rückfahrt durchgehend gut gelaunt, singt oder
schnattert (in autistisch) unaufhörlich und macht auf ihre Art jedes Mal darauf
aufmerksam, wie gefahren werden muss und wo welches Kind abzuholen oder wieder
abzusetzen ist. Schon nach zwei Tagen nämlich kannte sie die lange Fahrstrecke
bereits haargenau.
In der Schule selber scheint sie die Lehrerinnen stets
stürmisch zu begrüßen und hat in der kleinen Klasse schon Freundinnen gefunden.
Trotz ihres frühkindlichen Autismus ist die Kleine sehr kontaktfreudig und für
alles Neue aufgeschlossen. Deshalb bietet die Schule ihr täglich ganz viele
neue Anregungen, was ihr alles offenbar viel Freude bereitet.
In dieser Förderschule stehen 8 Schülern bis zu 4 Lehrer
bzw. Betreuer zur Verfügung, so dass jedes Kind auch individuell gefördert
werden kann. Es ist phantastisch, dass es noch solche Schulen gibt; denn im
Rahmen der hoch gepriesenen Inklusion würde ein Kind wie meine Enkelin auf der
Strecke bleiben.
Die Kleine hat einen Jungen (ebenfalls frühkindlicher
Autist) in der Klasse, dessen Eltern ihren Sohn mit rechtlicher Gewalt ein Jahr
zuvor in eine Regelschule geschickt hatten, um ihr Recht auf Inklusion
durchzusetzen. Der Junge hat ein Jahr gelitten und seine Symptomatik sich stark
verschlimmert. Er schreit sehr viel und lässt sich kaum noch bändigen. Nach
einem Jahr Regelschule, das für ihn, seine Mitschüler und seine Lehrer eine
Katastrophe war, wurde der Junge zwangsverwiesen auf die Förderschule. Für
dieses Kind hat Schule nichts Schönes mehr. Er ist verschreckt fürs Leben, weil
er bereits traumatische Erfahrungen gemacht hat durch uneinsichtige Eltern, die
aus uns bekannten Gründen ihren Sohn nicht auf diese Förderschule schicken
wollten.
Meine Enkelin jedoch darf in einem Umfeld lernen, das ihr
gut tut und ihr den nötigen Schutzraum bietet, Das genießt sie, da sie gerne
lernt im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Deshalb vermisst sie die Schule, wenn
Ferien sind.
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