Autismusshirt

Autismusshirt

Montag, 7. Juli 2014

Angst vor nichts und niemandem

Die meisten autistischen Kinder mögen es nicht, wenn sich in ihrer gewohnten Umgebung etwas verändert. Viele geraten in Panik, wenn Möbel in der Wohnung verrückt und Wände neu gestrichen werden. Das nimmt ihnen die gewohnte Sicherheit in der für sie unsicheren Welt.
Auch Ortswechsel und fremde Personen machen vielen Autisten Angst.
Allerdings gibt es auch Ausnahmen, die ins andere Extrem fallen. Einige autistische Kinder gehen sofort bei fremden Menschen auf Tuchfühlung, setzen sich bei ihnen ungeniert auf den Schoß, streicheln sie und würden sogar mit ihnen mitgehen. Das birgt eine große Gefahr. Diese Kinder darf man außerhalb des Hauses nie aus den Augen lassen.
Meine 5-jährige Enkelin hat auch vor nichts und niemandem Angst. Sie strahlt jeden Fremden an, der ins Haus kommt, weicht keinem Handwerker von der Seite, spielt am liebsten mit den Papas anderer Kinder, die zu Besuch kommen. Hier zu Hause ist das kein Problem. Aber wenn wir der Kleinen weiterhin nicht deutlich machen können, dass sie grundsätzlich nicht einfach mit Fremden mitgehen darf, ist sie ständig in Gefahr. Dann können wir sie nie ohne Aufsicht rausgehen lassen, auch wenn sie sich eines Tages im Straßenverkehr sicher verhielte.
Sie hat auch keine Angst vor lauten Geräuschen oder großen Tieren. Kein noch so lauter Bohrer schreckt sie ab und kein noch so großes Pferd.
Letztens waren wir bei Freunden auf dem Pferdehof, wo sechs erwachsene Pferde und ein zwei Monate altes Fohlen auf der Weide grasten. Die Pferde, die Menschen gewohnt und extrem zutraulich sind, umringten uns sofort, steckten der Kleinen ihre riesigen Köpfe zu und knabberten an ihr. Sie jauchzte und lachte vor Freude. streichelte die großen Tiere am Kopf, am Bauch und an den Beinen und versuchte, das Fohlen zu umarmen.
Auch in fremden Wohnungen oder Gärten geht die Kleine auf Erkundigungstour. In den Wohnungen interessieren sie alle  technischen Geräte wie Fernseher, Fernbedienungen, CD-Player, Kaffeemaschinen und Waschmaschinen. Die Gärten durchstreift sie bis in die hintersten Ecken, geht mit nackten Beinen durch Brennnesseln und Dornensträucher, ohne dass es sie im geringsten stört.
Dieses Kind ist extrem freiheitsliebend. -- Auf der anderen Seite jedoch hält sie unerbittlich an Ritualen fest, die ihr wichtig sind. Es gibt Dinge in ihrem Zimmer, die um keinen Preis verändert werden dürfen; Abläufe, die nicht variieren dürfen. Damit kann sie dann nicht umgehen und ihre Welt gerät ins Wanken.      

Samstag, 5. Juli 2014

TV und nächtliche Aktivitäten

Mein Buch: "Fanti, das kleine Schlitzohr - Leben mit einem autistischen Kleinkind", das am 1.5.14 erschien und schon sehr viele Leser in den Bann gezogen hat, endet in der Erzählung, als die kleine Marie 4,5 Jahre alt ist. Vor 2 Monaten ist sie nun 5 Jahre alt geworden und in der Zeit hat sich so viel ereignet, dass es sich lohnen würde, das Buch fortzusetzen. Die Blogbeiträge sind nur Momentaufnahmen. 


Wer will schon, dass Kinder viel fernsehen?
Während meine Tochter auf ihr Baby aufpasste, arbeitete sie am PC und ließ ganz leise im Hintergrund den Fernseher laufen. Das Kind konnte gut dabei schlafen und wenn es in seinem Bettchen spielte, schaute es auch nicht zum Fernseher hin --- außer, wenn Werbung kam. Das schien die Kleine von Anfang an zu faszinieren.
Als sie dann ihr eigenes Zimmer bekam, musste der Fernseher mit; auch dort lief er ohne Ton. Doch sobald Werbung kam (sie musste es spüren, denn zu hören war sie nicht), unterbrach das Kind ihr Spiel und schaute gebannt auf die Mattscheibe. Danach war der Fernseher wieder völlig uninteressant. Mit ca. 3 Jahren jedoch lachte sie laut, wenn Formel 1 lief.
Inzwischen ist sie 5 Jahre alt und bedient den Receiver selber. Außerdem besteht sie jetzt auf eine gewisse Lautstärke. Dann baut sie an ihrer Eisenbahn und im Hintergrund läuft stundenlang eine Dauerwerbesendung für Sammel-CDs mit Liedern von Heintje, Alpenliedern, Schnulzen aus den 80ern etc. Da die Kleine extrem musikalisch ist, trällert sie beim Spielen die Melodien mit. Als sie letztens bei der Logopädin anfing, eine alte Schnulze zu summen, hat diese laut gelacht und sofort angefangen, mitzusingen.
Das Fatale jedoch ist, dass sie sich weigert, schlafen zu gehen, wenn der Fernseher ausgemacht wird. Würden wir es durchsetzen, täte die Kleine vor Schreien kein Auge zu. Wir können (meine Tochter und ich haben beide ein Babyphone) die ganze Nacht verfolgen, was sich im Kinderzimmer abspielt. Momentan macht die Kleine die Nacht zum Tag. Sie spielt, singt, klappert, verschiebt Möbel, plappert vor sich hin, lacht und beschwert sich plötzlich über eine volle Windel. Dann muss Mama ran, die Windel wechseln, die Kleine neu umziehen, weil diese darauf besteht, einige Zubettgehrituale wiederholen und hofft dann, dass das Kind endlich mal einschläft. Tut sie das, so kommt es oft genug vor, dass es 2-3 Stunden später schon wieder laut wird. Dann wird erneut im völlig dunklen Kinderzimmer rumort, gegackert, geträllert, Musik gehört und umgeräumt.
Dafür kann es tagsüber passieren, dass es von einer Minute auf die andere im Zimmer plötzlich ganz leise wird und die Kleine irgendwo auf dem Fußboden eingerollt tief und fest schläft. Sie holt sich ihren Schlaf, den sie braucht und ist danach rundum zufrieden. 

Mittwoch, 2. Juli 2014

Probleme bei der Körperpflege

Meine fünfjährige Enkelin ist ein sehr hübsches, fröhliches Mädchen mit Lockenkopf.
Aber wenn es um Körperpflege geht, kann sie von einer Sekunde zur anderen zu einem kleinen Teufelchen werden.
-        Das Duschen ist nur möglich mit 2 Personen, von der eine mit unter die Dusche steigen, sich also vorher ausziehen und danach selber wieder abtrocknen und anziehen muss. Die Kleine ist sonst nicht zu bändigen. Sie läuft ständig aus der Dusche, rutscht wegen der nassen Füße und des Schaums auf dem Boden aus. Vor jedem Duschen muss der Badboden rutschfest ausgelegt werden.
-        Kämmen der Haare: Nur mit 2 Personen möglich: Der Lockenkopf läuft weg, windet sich auf dem Boden, greift mit den Händen in die Haare. Sie muss von einer Person fixiert und die Händchen müssen festgehalten werden, damit die andere kämmen kann.
-        Zähne putzen: Nachahmendes Lernen funktioniert nur bei Tätigkeiten, die die Kleine interessieren. Sie öffnet nicht freiwillig den Mund. 2 Personen sind nötig; eine muss sie zwischen den Beinen fixieren, den Kopf mit den Händen festhalten und gleichzeitig versuchen, ihr den Mund zu öffnen. Die andere muss versuchen, ihr die Zähne zu putzen.
-        Windeln wechseln: Oft nur mit 2 Personen möglich; denn wenn die Kleine nicht möchte, muss eine Person sie auf dem Boden oder auf dem Sofa festhalten und die andere die Windel öffnen. Danach heißt es, mit einer neuen Windel hinter der Kleinen herzulaufen, um sie zu überzeugen, sich diese anziehen zu lassen.
-        Fuß- und Fingernägel und Haare schneiden: Dazu sind 3 Personen nötig (2 zum Festhalten), weil es sonst zu Verletzungen mit der Schere käme. -        Die Kleine läuft am liebsten den ganzen Tag nur in Windeln herum. Deshalb ist das An- und Ausziehen meist ein Spießrutenlaufen: In der Regel nur mit 2 Personen möglich unter hohem Zeitaufwand. Hinterherrennen, Einreden auf das Kind, Locken mit Bildern oder Einkaufstasche, um zu erreichen, dass sie sich aufs Anziehen einlässt. Wenn alles nicht hilft und Termine eingehalten werden müssen, ist „Zwang“ nötig. Das Kind wehrt sich dann mit aller Kraft. Hat man es endlich geschafft, ihr den Body anzuziehen und greift nach dem nächsten Kleidungsstück, hat sie den Body schon wieder vom Körper gerissen. Dieser „Kampf“ kann bis zu 2 Stunden dauern. Vor wichtigen Terminen müssen 2 Stunden Zeit allein fürs Anziehen einkalkuliert werden, damit eine Chance besteht, rechtzeitig fertig zu werden.
Abends vor dem Zubettgehen muss genau so viel Zeit fürs Ausziehen und Anziehen (für die Nacht) eingeplant werden.
Es ist ein täglicher Kampf, die Kleine an die Anforderungen "zivilisierten" Aussehens gewöhnen zu wollen.