Autismusshirt

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Mittwoch, 31. Dezember 2014

NEUJAHR

Liebe Leser,
das neue Jahr ist da. Ich habe den Beginn verschlafen -- das letzte Jahr war recht anstrengend.
Meine Enkelin, die oft die Nacht zum Tag macht, hat auch nichts gehört. Wenn sie einmal schläft, dann kann nichts und niemand sie wecken. Dabei hätte ich gerne einmal miterlebt, wie sie auf die bunten Raketen reagiert hätte. Vor dem Knallen hätte sie sich wohl nicht gefürchtet, was sie von vielen anderen autistischen Kindern unterscheidet, für die die Silvesternacht eine echte Qual ist. Einer Reihe besonderer Kinder und noch viel mehr Tieren bereitet das Böllern richtig körperliche Schmerzen, weil das ohrenbetäubende Knallen durch Mark und Bein geht. Aber Rücksicht wird in diesem Land schon lange nicht mehr groß geschrieben. Da lobe ich mir Länder, in denen nicht privat geknallt werden darf sondern nur an bestimmten Plätzen, die die Leute aufsuchen können, die das neue Jahr laut begrüßen möchten. 

Doch ich habe noch etwas anderes zu sagen. Ich möchte mir nicht nur etwas für das neue Jahr wünschen, sondern ganz intensiv DANKE sagen. Dank sagen für alles das, was mir Gutes widerfahren ist im vergangenen Jahr, für Menschen, die mir in wirklich miesen Stunden und Situationen mit Worten und Taten geholfen haben.
Mein größter Dank gilt jedoch der Tatsache, dass es dich gibt, mein kleines "Fanti", meine Enkelin, und dass du dich so wunderbar entwickelst. Ich bin unendlich dankbar, dass du ein offensichtlich fröhliches Kind bist, Freude am Leben hast, so herzhaft lachen kannst, zufrieden vor dich hinträllerst und uns trotz deines noch extrem eingeschränkten Wortschatzes klar machen kannst, was du möchtest und was nicht. Inzwischen kannst du so gut mit uns kommunizieren, dass es täglich weniger ungewollte, aber unvermeidbare Missverständnisse und Konfliktsituationen gibt, die bei dir Wutanfälle auslösen. Denn es macht dir sehr zu schaffen, wenn man dich nicht versteht. Aber auch im Kindergarten bist du in der Lage, dich verständlich zu machen und kommst deshalb dort gut zurecht. Wir glauben immer noch, dass es richtig war, so lange mit dem Kindergarten zu warten. Mit deinen 5 Jahren hattest du den Stand erreicht, mit den Anforderungen fertig zu werden, obwohl ein langer Tag in der Einrichtung dich immer noch sehr schlaucht. Aber du wächst an deinen Aufgaben und du suchst dir zu Hause dann die Ruhe und Anlehnung, die du brauchst, um die ganzen Eindrücke des Tages zu verarbeiten.
So haben wir auch keine Angst mehr, dass die Schultage, die in einigen Monaten in der Förderschule auf dich zukommen, dich überfordern. Dort wirst du in behüteter Umgebung das lernen können, wozu du in der Lage bist, ohne Noten- und Leistungsdruck, sondern nach deinen Fähigkeiten. Auch dafür sind wir sehr dankbar, dass es noch diese Förderschulen gibt und du nicht zwangsweise in eine Regelschule inkludiert wirst, die dir mit deinen Besonderheiten niemals gerecht werden könnte. 
In diesem Sinne gehen wir zuversichtlich ins neue Jahr.
DANKE, dass es dich gibt.

Montag, 29. Dezember 2014

Jahresrückblick

Liebe Leser,
wie war dieses Jahr?
Ich teile es gerne auf in zwei Bereiche - in den, der meine autistische Enkelin und den, der mein sonstiges Leben betrifft.
Letzteres hielt in diesem Jahr sehr viel düstere Phasen bereit. Ein Faustschlag nach dem anderen hat mich getroffen
Die langjährigen Arthrosen müssen mit immer stärkeren Schmerzmitteln bekämpft werden, weil ich innerhalb der Familie mehr Einsatz zeigen muss als mein Körper es zulässt. 
Mit den "lieben Mitmenschen" gab es an vielen Fronten viel Ärger, weil es offensichtlich Leute gibt, die zuviel Zeit haben und diese dazu nutzen, um sich Gemeinheiten auszudenken. Es kostet meine Zeit, meine Nerven und mein Geld, um Dinge zurecht zu rücken. Ein Gutes hat die Sache: Ich habe gelernt zu kämpfen.
Für mich selber, für persönliche Interessen, für Muße, für erforderliche Arztbesuche, für manche Kontakte blieb keine Zeit.

Jetzt aber komme ich lieber zu dem anderen Bereich, zu meiner autistischen Enkelin. 
Die hat sich prächtig entwickelt. Sie macht uns täglich so viel Freude. Für sie lohnt sich jeder persönliche Einsatz, egal unter welchen eigenen Entbehrungen.Seit die Kleine mehr versteht, ist es viel leichter geworden, ihr manche notwendigen Handlungen verbal klar zu machen, so dass es keine "Kämpfe" mehr gibt, Das Waschen und Anziehen ist zwar jetzt auf andere Weise mehr als gewöhnungsbedürftig, aber wir haben uns arrangiert und das Kind hat einen Riesenspaß. Die Erzieherinnen im heilpädagigischen Kindergarten auch, wenn die Süße mal wieder 10 Kleider übereinander angezogen hat oder wieder barfuß in den Stiefeln steckt. Hauptsache, sie kommt nicht nur in Windeln. Zuhause läuft sie meist nur in Windeln herum und fühlt sich wohl. Das ist das Wichtigste. Mittlerweile lässt sie sich auf gutes Zureden die Fingernägel säubern und schneiden. Nur an die Fußnägel darf niemand heran, obwohl ihr schon ein großer Zehnagel abgefallen ist und alle Nägel dringend der Pflege bedürften. Sie müsste sediert werden, wenn ein Arzt sich der Nägel annehmen würde. Wir werden es in Angriff nehmen müssen.
Wunderbar ist es, dass meine Enkelin von sich aus immer mehr Nähe bei uns sucht. Sie kommt sehr viel kuscheln und schläft manches Mal auf dem Schoß ein.
Ja - das Schlafen ist und bleibt hier Ausnahmezustand.
Wenn das Kind müde ist, schläft sie von einer Sekunde auf die andere ein, egal, wo sie geht, steht, sitzt oder liegt. Dann fällt sie sofort in einen solchen Tiefschlaf, dass es unmöglich ist, sie wieder aufzuwecken. Also lassen wir sie schlafen, nachdem wir sie gemütlicher gebettet haben. Doch das bedeutet für mich, dass ich in der Nacht mindestens 2-3mal aufstehen, über den kalten Hof ins Haupthaus eilen muss, um meine Enkelin zu versorgen. Sie spielt nachts stundenlang in ihrem Zimmer. Aber mehrfach ruft sie, weil sie vollständig nass ist. Obwohl sie nachts mehrere Windeln übereinander anzieht, sind sie alle durch. Dann heißt es umziehen, leicht warm abwaschen, neu wickeln neu anziehen, schmusen - da ist schnell eine halbe Stunde herum. Und das 2-3mal zwischen 23h und 4h. Das geht an die Substanz. Viele werden sich fragen, warum ich das mache statt der Mama? Sie ist endlich in der Behandlung eines Schlafmediziners und weiterer Therapeuten, weil das hohe Schlafdefizit mehrerer Jahre ihr schwer zugesetzt haben. 
Viele Autisten brauchen wenig Schlaf, andere holen sich den Schlaf, wenn sie ihn brauchen. Wir müssen uns damit arrangieren.
Aber dieses kleine Mädchen entschädigt für alles. Ihr herziges Wesen, ihre Persönlichkeit, ihr fröhliches Lachen, ihr Trällern, ihre witzigen Ideen, Ihre Eigenheimer, ihre Rituale, die wir mit sehr viel Gelassenheit ertragen und mitmachen - alles das wiegt die Belastungen um ein Vielfaches auf. Sie ist das Beste, was uns geschenkt wurde.           
   

Kommunikation mit Autisten gelingt besser als mit neurotypischen Menschen

Liebe Leser,
in den letzten Tagen musste ich feststellen, dass es leichter ist, mit Autisten zu kommunizieren als mit neurotypischen Menschen. Autisten sind direkt und geradeaus, schmieden keine verbalen Intrigen, betreiben keinen Rufmord und lassen die Finger weg vom Mobbing im Internet.
Autisten sagen ihrem gegenüber unverblümt die manchmal nicht sehr schmeichelhafte Wahrheit direkt ins Gesicht; dafür jedoch bekommt man die Gewissheit, dass dies ihre ehrliche und eigene Meinung ist. Sie sind keine Mitläufer, die sich der Meinung eines Rädelsführers kritiklos anschließen und draufschlagen, wenn ihnen von diesem glaubhaft gemacht wird, ein geeignetes Opfer gefunden zu haben.
Ich wünsche noch einen schönen Abend!
Ilse Gretenkord

Samstag, 27. Dezember 2014

Autisten und ihre Art der Empathie

Liebe Leser,
noch in der Nacht habe ich mit einem erwachsenen Kanner-Autisten telefoniert, um mit ihm über "Empathie" zu sprechen. Dieser Autist ist in der Lage, sehr gut seine (autistische)Sichtweise neurotypischen Menschen zu erklären. Durch ihn habe ich mehr über Autismus, ihre Welt, ihr Denken und Fühlen gelernt als durch sämtliche wissenschaftlichen Schriften und Bücher, die von neurotypischen Verfassern geschrieben wurden.
Er sprach lange und differenziert.
Zunächst einmal unterschied er zwischen kognitiver und emotionaler Empathie.
So gut wie nicht vorhandene kognitive Empathie, also das Nicht-Erkennen und Nicht-Verstehen von Gefühlen anderer (Theory of Mind) ist ein wesentliches Kriterium zur Charakteristik der Autismus-Spektrum-Störung. Autisten ist es nicht möglich, die Perspektive zu wechseln und sich in einen anderen hinein zu versetzen.
Emotionale Empathie, also die Reaktion auf Gefühle anderer ist Autisten möglich; allerdings, so stimmt er mit vielen Autisten überein, müsse er das Gefühl selber kennen gelernt oder eine Situation selber bereits einmal erlebt haben.   
Er schlug mir vor, die Blogs "innerwelt" und den von Gerhard Gaudard vorzuschlagen, was dort die Autistin bzw. der Autist selber über Empathie sagen.
Weiterhin erzählte mein Bekannter mir von einer Freundin, die gerne die emotionale Empathie von Autisten mit der Empathie von Katzen vergleicht: Sie holen sich Schmuse- und Streicheleinheiten ab, wenn sie sie brauchen. Ansonsten ziehen sie sich zurück. Diesen Vergleich möchte ich kommentarlos stehenlassen, obwohl er momentan sehr gut auf das Verhalten meiner Enkelin zutrifft.
Grundsätzlich würde ich mehr der Aussage einer Pferde- und Hundenärrin zustimmen, die mir oft von ihren Tieren erzählt. "Mein Pferd ist autistisch. Das Tier braucht eine feste Routine und ist höchst sensibel, schreckt bei Bewegungen und lauten Geräuschen auf und scheut vor fremden Berührungen zurück. Aber meinen autistischen Sohn lässt er in jeder Hinsicht gewähren. Und wenn ich mal schlecht drauf bin, legt er seinen Kopf auf meine Schulter, schnaubt ganz leise, beknabbert mich ganz vorsichtig und stuppst mich so lange an, bis ich lächle und ihn dankbar lobend klopfe."
"Meinen Bobby (eine Promenadenmischung) leihe ich manchmal ein ganzes Wochenende meiner Freundin aus. Danach strahlt sie wieder und versichert mir: <Bobby hat sofort gemerkt, wo bei mir der Schuh drückte und mich vom Schreibtisch weggelockt, obwohl er wahnsinnig gerne stundenlang faul auf meinem Fell vor dem Kamin liegt. Ohne ihn wäre der Schreibtisch zwar jetzt leer, aber ich ginge heute mürrisch, müde und überarbeitet in die neue Arbeitswoche. So habe ich super viel Spaß und Bewegung an der frischen Luft gehabt, bin netten Leuten begegnet und fühle mich wie neu.>".
Nach Auffassung der Pferde- und Hundenärrin scheinen besonders diese Tierarten menschliche Gefühle zu spüren und darauf adäquat zu reagieren. Das ist auch der Grund, dass bei tiergestützter Therapie für Autisten Pferde, Hunde (und auch Delphine) zum Einsatz kommen, um an dem Defizit der unterentwickelten sozialen Kompetenz zu arbeiten.
Wie dem auch sei:
Ich komme zurück zu autistischen Menschen mit ihrer individuellen, eigenen Auffassung ihrer Selbst und ihrer Umwelt.
Empathie im Zusammenhang mit Autismus hängt sehr von der Definition ab. Im Sinne der kognitiven fehlt sie in hohem Maße, im Sinne der emotionalen liegt sie - aus meiner Sicht - auf einer anderen Ebene der Wahrnehmung. In dem Wort "anders" liegt keinerlei Wertung. 




                  

Donnerstag, 25. Dezember 2014

Mein autistischer Engel - Eine Liebeserklärung


Du, meine kleine Enkelin, gehst schon im nächsten Jahr in die Schule.
Wie die Zeit vergeht.
Von deinem ersten Tag an habe ich dich zusammen mit deiner Mama auf deinem Lebensweg begleitet. Sogar bei deiner Kaiserschnittgeburt durfte ich dabei sein.
Ich habe als erste, als du 20 Monate alt warst, das schreckliche Wort „AUTISMUS“ ausgesprochen.
Tiefe Betroffenheit, Entsetzen, Trauer, Verzweiflung - waren meine ersten Reaktionen auf diese Erkenntnis, die sich in den Monaten danach durch Diagnostik bestätigte.
Kopfschüttelnd haben deine Mama und ich dann durch die „Autismus-Brille“ Rückblick gehalten und uns gefragt, warum wir nicht früher etwas gemerkt hatten – obwohl uns die Experten lobten, so früh gekommen zu sein.
Der Blick in die Zukunft war düster und die Gegenwart anstrengend und von Hilflosigkeit geprägt.
Diese Zeit – bis zu einem Alter von 4,5 Jahren - habe ich in meinem Buch „Fanti, das kleine Schlitzohr“ http://www.tiponi-verlag.de/leseprobe-ilse-gretenkord/ verarbeitet.
Durch die ganze Liebe und Aufmerksamkeit, die wir – ihre Mama, ich als Oma und auch ihr Opa, der damals leider noch nicht oft anwesend sein konnte – dem kleinen Schatz entgegengebracht haben, hat „Fanti“ sich wunderbar entwickelt.
Sie ist mein Engel; jedes Mal, wenn sie strahlend auf mich zukommt, geht mir das Herz auf, vergesse ich meine sonstigen Sorgen, sehe ich meinen tiefen Sinn des dritten Lebensabschnittes.
Ich liebe alles an ihr: ihre Fröhlichkeit, ihre Umarmungen, ihre holprigen Versuche, einzelne Wörter zu lernen, ihren Willen, den sie zu artikulieren versteht, ihre Ideen, ihre Möglichkeiten und Grenzen, jeden einzelnen, noch so winzigen Fortschritt, ihre fortschreitende Entdeckung der Welt, ihr Singen und Tanzen, ihr Klettern und ihre Kräfte, ihren Ehrgeiz, ihre Rituale, die ihr Sicherheit geben – einfach alles, was dieses besondere Kind ausmacht.  
Es fällt mir inzwischen leicht, mich auf ihre individuellen Bedürfnisse einzulassen, damit sie sich dieses goldige Geschöpf in der ihr fremden Welt immer besser zurecht finden kann, ohne dabei aus dem Auge zu verlieren, dass das Kind ein Mindestmaß an gesellschaftlichen Normen lernen muss, um außerhalb ihres geschützten Bereiches nicht ausgestoßen zu werden.
Viele dieser Gedanken schreibe ich nun in meinem Blog http://kanner-autismus.blogspot.de/ nieder. Ich möchte – trotz aller speziellen Anforderungen, die das Leben mit autistischen Kindern an die Angehörigen stellen – stets meiner besonders innigen Liebe zu meiner besonderen Enkelin Ausdruck verleihen. Es ist wunderbar, dass es sie gibt und dass sie so ist, wie sie ist. 


Mittwoch, 24. Dezember 2014

AUTISMUS WEIHNACHTEN

Ausgrenzung: erfahren leider viele Familien, die ein autistisches Kind haben
Umarmung: mögen viele Autisten gar nicht, manche aber doch, und das sehr viel
Trauma: Für die Eltern wenn ihr Kind die Diagnose "Autist" bekommt.
Insel: Es gibt Autisten mit Inselbegabungen
Schlafprobleme: Sehr viele autistische Kinder haben große Schlafprobleme.
Mut: Es erfordert Mut, sich mit einem autistischen Kind überall zu zeigen.
Ursachen: Eindeutige Ursachen stehen (noch) nicht fest.
Solidarität: Zusammenhalt Betroffener macht stark 


Wahrnehmungsstörung: Ein grundlegendes Merkmal von Autismus
Engel: Autistische Kinder sind kleine "Engel"
Inklusion: ein umstrittener Begriff
Hitze: Kalt-warm-Wahrnehmung ist oft nur schwach oder gar nicht vorhanden
Nähe: Es gibt Autisten, die menschliche Nähe selber suchen.
Arbeit: In der Regel können sie eine betreute Arbeit übernehmen.
Chic: Unser kleines autistisches Mädchen macht sich "chic".
Hilfsbedürftigkeit: Die meisten Autisten benötigen Lebenshilfe.
Toleranz: wird leider oft von Mitmenschen verweigert
Empathie: ist etwas, was Autisten fehlt
Normabweichung: Autisten sind anders


In diesem Sinne: Frohe Weihnachten für alle Autisten, für alle, die mit Autisten zusammenleben und für alle, die autistische Menschen so nehmen, wie sie sind.
Ilse Gretenkord

Samstag, 20. Dezember 2014

Ein autistisches Kind rettet die Ehe der Großeltern

Liebe Leser,
Sie werden sich über den Titel wundern.
Viel öfter kommt es vor, dass die Belastung durch ein autistisches Kind Ehen zerstört; die Ehen der Eltern, die den schweren Störungen des Familienlebens durch die schwierigen Verhaltensweisen des Kindes nicht mehr gewachsen sind. Ein Partner wirft dann die Brocken und lässt den anderen mit dem besonderen Kind allein. Dies jedoch ist heute nicht mein Thema.
Es geht um einen wunderbaren Lernerfolg, den ich als Oma durch meine autistische Enkelin durchlaufen konnte und der meine eigene Ehe gerettet hat. Dieses Kind hat mich gelehrt, Menschen so zu nehmen, wie sie sind und ihre Sonderheiten zu tolerieren, wenn Zusammenleben funktionieren soll. Ich kann mich inzwischen mühelos auf die sonderbaren Eigenarten der Kleinen einlassen und ihr diese gewähren, auch wenn sie von meinen eigenen Vorstellungen eines fünfjährigen Kindes weit entfernt sind. Bei einem erwachsenen Partner fällt die Rücksicht auf völlig andersartige Denk- und Lebensgewohnheiten erheblich schwerer, was dazu geführt hat, dass meine Ehe schon lange nur noch auf dem Papier bestand. Seit Jahren leben mein Mann und ich in demselben Haus in getrennten Wohnungen, um Streit zu vermeiden, weil die Lebenskonzepte so gar nicht zueinander passen. Dadurch aber, dass wir zusammen sehr oft auf unsere Enkelin aufpassen, sitzen wir seit Monaten viele Stunden zusammen und führen lange Gespräche. Tag für Tag wächst meine Erkenntnis, dass viele Ratschläge und Denkweisen meines Mannes, die ich früher vehement zurückgewiesen habe, mir auf sinnvolle Weise Sachverhalte aus einer anderen Perspektive beleuchten, die oft zu einer viel besseren Lösung eines Problems führt. Erst jetzt merke ich, wie verbohrt ich war und dass ich schwerlich andere Meinungen - innerhalb der eigenen Familie - akzeptieren konnte. (Außer bei Fremden - da trumpfe ich selten auf und lasse mir die Vorstellungen des Gegenübers aufdrängen.)
Jetzt hat sich das Blatt gewendet - und das verdanke ich allein meiner autistischen Enkelin, die mir absolutes Umdenken abverlangt. Ich werde von Tag zu Tag toleranter gegenüber meinen Nächsten (meinem Mann), um zu Hause Halt zu finden und den Partner Wert zu schätzen. Dafür und dadurch bekomme ich die nötige Kraft, meine Vorstellungen vor Fremden zu vertreten.
Mir ist von meiner Enkelin, die den Sinn von Schenken selber nicht versteht, ein großes Geschenk gemacht worden. - Und das nicht nur zu Weihnachten.




Ich wünsche allen Lesern ein Weihnachtsfest mit Geschenken, die nicht aus dem Kaufhaus sondern von Herzen kommen.
Ilse Gretenkord

Das "Christfest" - oder das "Fest der Geschenke?" naht

Liebe Leser,
jeder möge selber über den Titel nachdenken.
Diejenigen, die autistische Kinder haben, die "Weihnachten" wahrnehmen, werden das Fest auf die Weise feiern, die für das Kind so wunderbar wie möglich werden wird.
Meine Enkelin nimmt "Weihnachten" nicht wahr. Das macht uns einerseits traurig.
Andererseits ist sie für meine Tochter und mich und natürlich auch für den Opa DAS GESCHENK, das von keinem weltlichen übertroffen werden könnte. Wer darf schon täglich mit einem kleinen Engel - mit einem winzigen "B" davor - zusammen leben?


In diesem Sinn wünsche ich einen ruhigen 3. Advent.
Ilse Gretenkord

Freitag, 12. Dezember 2014

Erstaunliches Zeitgefühl

Liebe Leser,
die meisten Erwachsenen kommen ohne Uhr nicht aus. Wir haben das natürliche Zeitgefühl verloren, zumal ein Termin den anderen jagt. Kinder sind viel unbefangener und können über das Spielen die Zeit völlig vergessen. Und das ist auch gut so. Sie werden noch früh genug in die Tretmühle unserer schnelllebigen Tagesabläufe hinein gezogen und verlieren die Fähigkeit zum Treibenlassen, Relaxen und Chillen (was vorwiegend jüngere Leute sich mittlerweile oft als Auszeit wählen).
Umso mehr wundern wir uns über meine knapp sechsjährige Enkelin. Noch mit nicht drei Jahren hatte sie ein verblüffendes Zeitgefühl. Immer noch kennt sie keine Uhrzeiten und keine Wochentage - doch schon damals lief sie gegen Ende einer der zahlreichen Therapiestunden zu ihren Schuhen oder zu ihrer Jacke, um damit zu zeigen, dass jetzt Schluss sei. Auch stets dann, wenn die Therapeuten weder durch die Aufforderung zum Aufräumen oder durch einen sonstigen Hinweis durchblicken ließen, dass die Zeit um war.
Dabei haben die Therapiestunden unterschiedliche Länge von 30 Minuten, 45 Minuten und 60 Minuten.
Auch im Kindergarten zeigt sich nun dasselbe Phänomen. Momentan bleibt meine Enkelin nur donnerstags über Mittag dort. In der vergangenen Woche jedoch ergab sich eine Änderung und Mama holte sie am Donnerstag schon früh ab. Die Kleine wollte jedoch nicht gehen, weil sie im Gefühl hatte, dass dies doch der lange Tag sei. Als Mama dann am Folgetag nicht rechtzeitig kam, weil dieser ersatzweise verlängert werden sollte, kullerten die Tränen. Dabei wissen wir genau, dass dieses Kind noch in keiner Weise die Wochentage kennt.
Das sind nicht die einzigen Bereiche, in denen meine Enkelin einen "7. Sinn" zeigt. Sie ahnt Vieles voraus, handelt in manchen Situationen so, als wisse sie bereits, was komme.
Autisten haben eine andere Wahrnehmung, die ihnen das Leben in unserer Welt vielfach erschwert, die ihnen jedoch auch Möglichkeiten eröffnet, die uns neurotypischen Menschen verschlossen bleiben. Das lässt uns immer wieder dankbar staunen.
Ich wünsche allen ein 3. Adventswochenende ohne Zeitdruck.
Ilse Gretenkord

Samstag, 6. Dezember 2014

Warum brennt heute die 2. Kerze am Adventskranz?

Liebe Leser,
wie schön ist die Vorweihnachtszeit für ein fünfjähriges Kind. Die Vorfreude auf Weihnachten, das Kommen des Nikolauses, das Bummeln über den Weihnachtsmarkt, wo oftmals viele Weihnachtsmänner die Kinder beschenken und Weihnachtslieder ertönen. Das Warten auf das Christkind, das die Geschenke bringt, das Erzählen der Weihnachtsgeschichte, das Entzünden der Kerzen am Adventskranz, das Öffnen der Türchen am Adventskalenders, das geschmückte Zuhause, die geschmückten Geschäfte und Straßen - alles das macht auch schon die Kleinen auf eine besondere Zeit aufmerksam.
Es macht meine Tochter als Mama und mich als Oma doch traurig, wenn unser kleines Mädchen, das im nächsten Jahr schon in die Schule kommt, von all dem nichts mit bekommt. Die Kleine nimmt zwar inzwischen schon sehr viel wahr, ist aber noch so in ihrer autistischen Welt gefangen, dass sie - wie ich gestern schon schrieb - selbst den Nikolaus im Kindergarten ignoriert hat. Sie liebt Kerzen, würde es aber niemals akzeptieren, dass man an einem Adventskranz zunächst nur eine Kerze tagelang anzünden dürfte, danach nur zwei ...
Warten auf einen besonderen Tag, Geschenke als die ihren zu erkennen - das kann sie nicht einordnen. Melodien von Weihnachtsliedern kann sie nachsummen, wenn sie im Fernseher gesungen werden. Dann jedoch trällert sie diese auch im Sommer.
Meine Enkelin bleibt in ihrer Welt, ihre Tage bleiben relativ gleich. Aber das Schöne ist, dass wir den Eindruck haben, dass jeder Tag für dieses Kind ein schöner Tag ist. Denn die Kleine ist immer fröhlich, lacht und freut sich über winzige Kleinigkeiten, sieht einen Packen neuer Socken wohl als großes Geschenk an, egal, an welchem Tag sie diese bekommt.
Und mal ehrlich: Ist das letztendlich nicht für uns ein riesiges Geschenk? Ein immer frohes Kind, das nicht nur glücklich scheint an besonderen Tagen, an denen Besonderes geschieht und große Überraschungen und Geschenke anstehen wie am Geburtstag und zu Weihnachten?
Wir freuen uns jeden Tag mit ihr.
In diesem Sinne einen schönen 2. Advent.
Ilse Gretenkord

Freitag, 5. Dezember 2014

Meine Enkelin und der Nikolaus

Liebe Leser,
gestern hat im Kindergarten der Nikolaus eine einmalige Erfahrung gemacht.
Alle Kinder waren sehr aufgeregt und freuten sich riesig, als sie einen großen gefüllten Nikolausstrumpf bekamen, den die Erzieherinnen zuvor mit Leckereien gefüllt hatten.
Meine autistische, fünfjährige Enkelin nahm keine Notiz von dem verkleideten Mann. Als dieser ihr dann noch den Strumpf in die Hand gab, sah sie darin keinen Sinn und hatte keinerlei Interesse. Sie gab dem Nikolaus den Strumpf zurück.
Der staunte nicht schlecht, die Erzieherinnen mussten krampfhaft das Lachen unterdrücken und den anderen Kindern blieb der Mund offen stehen. Nach einigen Überredungskünsten der Erzieherinnen war unsere Kleine dann doch bereit, den Strumpf anzunehmen und sogar ein Foto zusammen mit dem Nikolaus machen zu lassen.
Doch der Inhalt des Strumpfes fand keinen Gefallen. Während alle anderen Kinder sich am liebsten sofort über die schokoladigen Teile hergemacht hätten, schaute meine Enkelin nicht einmal hinein. Sie hasst Schokolade und Süßigkeiten, isst weder Obst noch Nüsse und kann somit mit dem Inhalt des liebevoll gefüllten Nikolausstrumpfes nichts anfangen.
Autisten sind eben anders.
Ich wünsche allen Lesern heute einen schönen Nikolaustag.
Ilse Gretenkord

Mittwoch, 3. Dezember 2014

Die andersartige Wahrnehmung von Autisten

Liebe Leser,
warum lässt sich meine Enkelin die Fingernägel säubern und schneiden - aber den Fußnägeln darf sich niemand nähern? Diese sind schon so scheußlich gewachsen und immer schwarz, weil sie unter lautem Protest und heftiger Abwehr die Zehen nicht berühren lässt.
Warum kann sie nichts auf dem Kopf ertragen - keine Mütze, selbst wenn es noch so kalt ist?
Warum empfindet sie Kälte nicht wirklich? Sie läuft - wenn wir sie nicht mit "Gewalt" hindern, barfuß und in Windeln bei Eiseskälte durch den Garten.
Warum empfindet sie Hitze nicht wirklich? Sie zieht sich in heißen Sommernächten zum Schlafen an, als müsse sie in einem Iglu übernachten.
Warum hört sie in manchen Situationen "das Gras wachsen" - und oft reagiert sie nicht, selbst wenn enormer Lärm sie umgibt?


Wir möchten manchmal in die Köpfe von Autisten hineinschauen können, um sie besser zu verstehen. Vielfach klappt die Kommunikation mit ihnen nicht, weil wir im wahrsten Sinne des Wortes "aneinander vorbei" denken, fühlen, reden, agieren....
Das macht es Eltern oft so schwer, ihren autistischen Kindern gerecht zu werden, weil sie deren Bedürfnisse gar nicht verstehen. Aber auch das Erziehen wird zu einer Gratwanderung. Wenn Eltern eine Regel bei ihrem Kind durchsetzen und dieses sich mit allen Kräften dagegen wehrt, so wissen sie nicht, ob das nur Trotz ist, weil es seinen Willen nicht bekommt, oder ob das Verbot das ganze "autistische Weltbild" aus den Angeln hebt. In diesem Fall richtet es viel Schaden im ohnehin ungefestigten Vertrauen in die dem Kind fremde Welt an.
Die Unsicherheit bleibt: Doch je mehr Eltern versuchen, sich behutsam in ihr Kind hinein zu fühlen, es immer genau beobachten und viel Vertrauen aufbauen, desto besser werden sie sich an die Welt ihres Kindes heran tasten, auch wenn sie immer außen vor bleiben werden.
Ich wünsche einen wohligen Wintertag.
Ilse Gretenkord

Montag, 1. Dezember 2014

Private Förderschule für geistige Entwicklung

Liebe Leser,
im kommenden Jahr fängt für meine Enkelin "der Ernst des Lebens" an. Sie muss in die Schule. Als frühkindliche Autistin kommt für uns nur eine Förderschule in Frage, weil Inklusion in einer Regelschule für das Kind und die Mitschüler eine Zumutung darstellen würde. Darüber habe ich bereits in einem früheren Blogbeitrag meine Meinung geäußert.
Andererseits gibt es zwei Argumente, die auch gegen diese Art der Förderschule angeführt werden könnten.
Zum einen wurde in der vergangenen Zeit deutlich (vor allen Dingen seit dem erst kürzlich erfolgten Eintritt in den Kiga), dass die Kleine sich stark zu "normalen" Kindern hingezogen fühlt, diesen Vieles abschaut und von ihnen Erstaunliches lernt.
Desweiteren bestätigt jede Person (Therapeuten, Fremde, Verwandte, Bekannte), die meine Enkelin kennen lernt, bereits nach kurzer Zeit, dass dies ein (sehr) intelligentes Mädchen sei.
Ein intelligentes Kind auf eine Schule für geistige Entwicklung schicken? Ist das richtig? Ein Kind, das mittels ihres Ipads autodidaktisch das Alphabets beherrscht und die zu den Anfangsbuchstaben gesprochenen Wörter nach und nach selber spricht? Ein Kind, das fasziniert ist von Zahlen und diese rauf- und runterzählt im Zahlenraum bis 20? Ein Kind, das Handlungsabläufe im Haushalt (Waschmaschine einstellen, Kaffeemaschine bedienen, Wäsche falten u. v. m.) nur einmal zu sehen braucht, um es selber machen zu können?
Auf der anderen Seite hat die Kleine sehr viele Defizite aufgrund Ihrer "Behinderung". Noch spricht sie so gut wie gar nicht, braucht ihre Rituale, reagiert oft nicht auf Ansprache, lässt sich in der Regel aktiv nichts zeigen und erklären, kennt keine Gefahren, lebt in ihrer Welt, die sie sich einrichtet und nach außen so weit kommuniziert, dass die Erwachsenen meist erkennen können, was sie braucht. Der Umgang mit meiner Enkelin wird dann höchst problematisch, wenn der Erwachsene die Gradwanderung zwischen dem, was sie will oder braucht, und dem, was sie darf, nicht schafft. Dann wird es sehr laut, dann schreit sie sich die Kehle aus dem Hals, dann wehrt sie sich mit Leibeskräften, wirft Gegenstände durch die Gegend, knallt Türen, haut sich selber, hält sich die Ohren zu, In der Öffentlichkeit schmeißt sie sich auf den Boden, so dass niemand mehr in der Lage ist, sie von der Stelle zu befördern. Oder selbst zwei starke Erwachsene vermögen es nicht, das Kind, das sich steif macht wie ein Brett, in den Autositz zu bekommen. Sie hat auch eine starke Weglauftendenz, wenn sie ein anderes Ziel im Auge hat als die Begleiter. Festhalten ist für dieses Kind das Schlimmste, was man ihm und sich selber antun kann. Da haben selbst drei Erwachsene kaum eine Chance gegen sie.
Ein Kind, das diese Gefühle nicht steuern kann, weil Vieles nicht seine Welt passt, weil viele Eindrücke es überfordern, weil Umwelt und Erfahrungen von ihm auf andere Weise wahrgenommen werden als durch das Umfeld: Deshalb hat meine Enkelin auf einer Regelschule nichts zu suchen. Wir sind jedoch überzeugt, dass die von uns gewählte Schule jedes Kind individuell fordert und fördert. Also wird dort auch ein intelligentes Kind nicht zu kurz kommen und nach seinen Fähigkeiten lernen dürfen.
Viele Grüße!
Ilse Gretenkord
 

Sonntag, 30. November 2014

Familien leiden still

Liebe Leser,
immer wieder lese ich in Foren, wie sehr und schnell Familien mit einem autistischen plötzlich isoliert dastehen. Verlassen von einstmals guten Freunden und Bekannten, ja sogar oft von den eigenen Geschwistern oder Eltern.
Ein autistisches Kind ist eine ganz große Herausforderung und stellt die Eltern vor eine riesige Aufgabe, die sie anfangs in der Regel selbst überfordert. Denn da diese Art der "Behinderung" nicht sofort erkennbar ist, merken die Eltern erst im Laufe der Zeit, dass ihr Kind anders ist und ihre Erwartungen nicht erfüllt werden - ihre Erziehungsbestrebungen nicht greifen. Das Kind "hört" nicht, reagiert nicht, verhält sich, wie es will, bekommt Wutausbrüche, zerstört Gegenstände, verletzt u. U. sich und andere und ist alles andere als umgänglich.
Es ist schon wahrhaft schwer genug, bis eine Familie ansatzweise gelernt hat, sich darauf einzustellen und damit umzugehen. Auch machen sich Schuldgefühle breit, selber versagt zu haben, etwas mit diesem Kind falsch gemacht zu haben.
Umso wichtiger wäre es, verständnisvolle Hilfe von allen Seiten zu bekommen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Diejenigen, die Stütze geben könnten, wenden sich ab. Entweder sie hauen genau in die Kerbe hinein und stellen die Eltern als Versager hin, die das vermeintlich unerzogene Kind nicht in den Griff bekommen - oder sie wollen sich nicht bei einem Besuch ständig "stören" lassen, weil das Kind "unerträglich" ist.
Am meisten trifft es die Familien, wenn die eigenen Eltern das Enkelkind ablehnen, die Diagnose als "Modekrankheit" abstempeln und die junge Familie nicht unterstützen wollen, weil sie falsche Erziehung als Ursache für das Verhalten des Kindes abtun.
Ich kann nur immer wieder appellieren!!!
Haben Sie Mut und machen Sie den Mund auf!!!
Nehmen Sie ignorante Personen in Selbsthilfegruppen mit, geben Sie Ihnen Infomaterial, zeigen Sie Ihnen Videosequenzen u. v. m.. Tun Sie alles, was zur Aufklärung beiträgt,
Ich selber habe meine Enkelin so akzeptiert, wie sie ist. Ich habe sie von Geburt an mit groß gezogen und jeden einzelnen schwierigen Tag miterlebt. Ich habe mir den Frust (aber auch die schönen Erfahrungen) von der Seele geschrieben. In diesem Buch haben sich schon sehr viele Familien mit autistischen Kindern wieder gefunden.
Aber!!! Dieses Buch hat noch viel mehr unbedarften Menschen die Augen geöffnet.
Wir haben Freunde, die Verständnis für uns, für unsere Lage und für meine Enkelin haben. Denn sie haben das Buch gelesen und Wissen erlangt und dadurch Vorurteile abgebaut.
http://www.tiponi-verlag.de/leseprobe-ilse-gretenkord/
Es grüßt herzlich!
Ilse Gretenkord
 

Samstag, 29. November 2014

Die riesige Freude über jedes neue Wort

Liebe Leser,
bei normal entwickelten Kindern ist die Familie begeistert, wenn zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr die Worte "Mama", "Papa", "Oma" und "Opa" aus dem Kindermund ertönen. Danach geht es Schlag auf Schlag, bis die Kleinen manchmal mit unendlich vielen Fragen und Kommentaren "nerven".
Doch wie riesig ist bei uns die Freude, wenn meine Enkelin mit fünf Jahren erstmals "Mama", "Oma" und "Opa" über die Lippen bringt. In der Logopädie hat sie das Wort "Opa" gelernt, obwohl sie in der Therapie nicht viel nachsprechen möchte. Dort lernt sie jedoch passiv extrem viel. Seit die Kleine seit einem halben Jahr regelmäßig zur Logopädie geht, versteht sie uns, was vorher nicht der Fall war. Anweisungen und Erklärungen gingen an ihr vorbei. Mittlerweile können wir ihr verbal so viel vermitteln, dass der Umgang mit ihr merklich entspannter geworden ist.
Doch der aktive Wortschatz scheint nur noch im Dornröschenschlaf zu liegen und wartet darauf, durch Anlässe aufgeweckt zu werden. Denn jeden Tag erleben wir nun Situationen, in denen meine Enkelin uns mit einem neuen Wort oder sogar einem kleinen Satz total überrascht und riesige Freude auslöst. Besonders aber scheint sie beim Zusammensein mit Fremden und im Kindergarten aktiver zu sprechen als zu Hause. Wir verstehen sie auch ohne Worte. Aber im Umgang mit anderen nützen ihr kein "äh" und "ah" und "ooo", um etwas zu bekommen und zu erreichen. Da gibt sie sich offensichtlich sehr viel Mühe, um aktiv verbal auszudrücken, was sie wünscht und braucht.
Unsere Freude darüber ist unbeschreiblich. Was wir nicht mehr zu hoffen wagten, scheint nun doch zu geschehen: Meine Enkelin wird wohl doch noch sprechen lernen. Wir lieben sie auch unendlich ohne verbale Kommunikation, doch wie viel leichter ist es in vielen Situationen, sich mit Worten verständigen zu können.
Trotzdem: Die Zeit der nonverbalen Kommunikation, die auch noch andauern wird, weil der Wortschatz noch sehr klein ist, hat auch nicht nur Nachteile. Wir haben das Kind und seine anderen Formen der Kommunikationsversuche intensiver beobachtet und kennen ihre Gesten und Gebärden, mit denen sie uns etwas sagen will. Das hat zu einer sehr starken Annäherung an meine autistische Enkelin geführt, von der beide Seiten sehr profitieren.
Einen schönen Sonntag.
Ilse Gretenkord       

Donnerstag, 27. November 2014

Autisten und die Nächte

Hallo, liebe Leser!
Viele autistische Kinder haben keinen normalen Tag- und Nachtrhythmus.
Was das für die Mutter bedeutet, können sich wohl viele Eltern vorstellen, die Kinder haben, die schlecht schlafen. Aber meist legt sich das im Laufe der ersten Kleinkindjahre.
Doch bei autistischen Kindern ist das oft nicht der Fall. Bei meiner Enkelin scheint sich das Problem zu verstärken. In wenigen Monaten wird sie sechs Jahre alt und schläft nachts fast kaum noch. Gegen 18.00h möchte sie freiwillig den Tag beenden. Dann lässt sie sich für die Nacht fertig machen, ihr Licht löschen, ihre Rollläden schließen, ihre Zimmertür verschließen und darf dann noch im Dunkeln so lange spielen, bis sie sich irgendwo vor Müdigkeit hinlegt und schläft. Denn in ein Bett weigert sie sich zu legen.
Danach wird die von zwei Babyphones überwacht. Ihre Mama und ich haben eines, um sie die ganze Nacht hören zu können.
Doch dann dauert es manchmal nur drei, manchmal auch fünf Stunden, bis die Kleine sich zum ersten Mal meldet. Ihr Körper funktioniert leider so, dass sie nachts viel mehr Pipi machen muss als tagsüber. Da sie trotz aller Bemühungen noch Windeln trägt, von denen sie abends vier übereinander zieht, ist sie in der Regel beim Aufwachen völlig nass.
Weil Mama inzwischen unter massiven Schlafstörungen leidet aufgrund der vergangenen Jahre und Schlaftabletten nimmt, stehe ich auf und versorge meine Enkelin. Sie muss dann mitten in der Nacht umgezogen, abgewaschen und neu gewickelt werden. Dann verlangt sie nach ihrem Ipad, um sich mit Lernspielen zu beschäftigen, möchte die Rollläden hochfahren und das Licht anmachen.
Meist ist danach für einige Stunden Ruhe. Beim zweiten Rufen ist meist der Ipad-Akku leer, die neuen Windeln sind wieder voll und das Kind nass. Also wird erneut umgezogen und eine kleine Mahlzeit zubereitet, weil sich inzwischen Hunger eingestellt hat. Da die Kleine ohnehin nur Dauerwerbesendungen sieht, läuft der Fernseher, bei dem durchaus die Möglichkeit besteht, dass das Kind einschläft, wenn die Müdigkeit es endlich einmal übermannt. Sie verweilt also teils wach, teils noch ein wenig schlafend den Rest der Nacht in ihrem Zimmer.
Doch für mich ist die Nacht kaputt. Es ist ein Luxus, wenn meine Enkelin nur einmal ruft, normal ist zweimal und häufig unterbricht sie meinen Schlaf auch noch ein drittes Mal. Der nächste Tag ist dann für mich schon sehr belastend. Die Kleine jedoch nimmt es sich heraus, mehrere Stunden des Kindergartens zu verschlafen, egal, wie laut die anderen Kinder um sie herum toben.
Im SPZ hat man uns wenig Hoffnung gemacht, dass sich das ändern wird. Wir können nur hoffen, dass ich nicht auch noch Schlafstörungen entwickle und dass meine Tochter die ihrigen in den Griff bekommt, so dass wir uns in Zukunft abwechseln können, wenn es nachts im Babyphone unüberhörbar laut wird.
Einen angenehmen Tag wünscht
Ilse Gretenkord   

Mittwoch, 26. November 2014

Welcher Kindergarten wann für autistische Kinder?

Liebe Leser!
Die Frage mag seltsam anmuten.
Doch wir haben die Erfahrung gemacht, dass man sich nicht dem Druck Außenstehender beugen sollte, sondern für das eigene betroffene Kind entscheiden muss, wann es reif ist für den Kindergarten.
Als meine Enkelin drei war, sollte sie in den heilpädagogischen Kindergarten. Wir haben uns die Einrichtung gründlich angesehen und dagegen entschieden. Die Kleine hätte einen 7-stündigen Tag, der vorgeschrieben war, niemals dort durchgehalten. Außerdem waren wir keinesfalls überzeugt, dass man dort ihre große Weglauftendenz und ihre noch nicht entwickelte Fähigkeit, andere Kinder als zu respektierende Lebewesen anzusehen, in den Griff bekommen hätte.
Wir haben zwei Jahre gewartet, obwohl es wesentlich einfacher und entlastender gewesen wäre, das Kind für viele Stunden des Tages nicht ständig selber beaufsichtigen und beschäftigen zu müssen.
In diesen zwei Jahren hat meine Enkelin eine enorme Entwicklung durchgemacht, auch dadurch, dass wir ihr privat behutsam Kontakt zu Kindern ermöglicht haben. Dabei haben wir gemerkt, dass sie sich sehr gern an Kindern ohne Behinderung orientiert, sowohl an kleineren als auch an älteren. Außerdem hat die begonnene Logopädie die Kleine dazu befähigt, wenigstens einfache Anweisungen und Erklärungen zu verstehen, was bis dahin nicht der Fall war. Jetzt fügt sie sich gerne in die recht große gemischte Kindergartengruppe ein, vermeidet Handlungen, die den anderen Kindern missfällt. Denn sie möchte nicht weggeschubst werden. Sie rauft mit gleichaltrigen Jungen, hält Mädchen an der Hand, schmust mit den Erzieherinnen und schläft, wenn ihr alles zuviel wird oder sie in der Nacht zuvor mal wieder kein Auge zugemacht hat.
Hätten wir meine Enkelin mit drei Jahren in den Kindergarten gezwungen, hätte sie den gesamten Tag vor Überforderung nur geschrien, hätte bei Ausrastern und Weglaufen gewaltsam festgehalten werden müssen und hätte sich und andere Kinder gefährdet.
Ich fordere auf zu Mut, individuell für das eigene Kind das Beste zu entscheiden.
Ich wünsche einen schönen Tag.
Ilse Gretenkord   

Dienstag, 25. November 2014

Autisten und der Kindergarten

Liebe Leser!
Ich war nicht schreibfaul, sondern krank.
Ich hoffe trotzdem, dass meine neuen Beiträge jetzt wieder gern gelesen werden.
Inzwischen ist meine Enkelin mit fünfeinhalb Jahren in einen heilpädagogischen Kindergarten gekommen. Warum wir so lange mit dem Kindergarten gewartet haben, werde ich in den nächsten Tagen gerne erklären.
Was ist ein heilpädagogischer Kindergarten? Als wir uns diesen vor drei Jahren ansahen, bestand die heilpädagogische Gruppe aus 8 Kindern und 2 Erzieherinnen, die sich intensiv um die betreuungsintensiven Kinder kümmerten. Allerdings bestand die Auflage, dass die Kinder jeden Tag sieben Stunden in der Einrichtung bleiben mussten.
Wie sieht dieser Kindergarten heute aus? Jetzt ist meine Enkelin in einer Gruppe, die aus 16 Kindern besteht, von denen 3 heilpädagogischen Bedarf haben, 3 integrativ sind und 10 "normale". Für diese große gemischte Gruppe stehen lediglich 2 Vollzeitkräfte und eine Teilzeitkraft zur Verfügung. Was ist das für ein Personalschlüssel? Warum ist ein heilpädagogischer Kindergartenplatz so teuer? Für die Kinder mit heilpädagogischem Bedarf wird nicht einmal eine zusätzliche Integrationskraft zugelassen. Außerdem ist die Verweildauer für diese Kinder auf 6 Stunden täglich reduziert worden.
Ich bin eine Gegnerin von "Inklusion" um jeden Preis. Aber "Hut ab!" Wie diese wenigen Betreuerinnen es schaffen, allen diesen Kindern voll gerecht zu werden, grenzt schon an ein Wunder!!!
Wie unsere Kleine in dem Kindergarten zurecht kommt, schildere ich morgen.
Tschüss!
Eure Ilse Gretenkord 

Nicht sprechen können oder nicht sprechen wollen?

So langsam haben wir das Gefühl, dass meine inzwischen fünfjährige Enkelin mehr versteht.
Mit dem Sprechen jedoch hapert es noch sehr. Ab und an kommt ein neues Wort dazu, das sie jedoch nur gelegentlich freiwillig spricht, nie jedoch auf Aufforderung. Trotzdem scheint sie eine Reihe von Wörtern zu speichern, die sie bei der Logopädin lernt. Die Kleine geht sehr gerne in die Therapie, hat dort viel Spaß, spricht jedoch in der Regel kaum ein Wort nach. Doch Tage später kommt dann das Ergebnis: Als ich gestern mit ihr und dem Opa zum Auto wollte, stand sie vor Opas Tür und rief laut und deutlich erstmals "Opa". Als wir danach aufs Auto zugingen, zeigte sie darauf und konnte plötzlich das Wort "Auto" sagen. Wir waren total begeistert.
Das brachte uns auf den Gedanken, dass die Kleine dann spricht, wenn sie es für angebracht hält. Sie erwartete den Opa und wollte mit uns zum Auto.
Warum aber sollte sie die Worte bei der Logopädin sagen, nur weil diese  ihr ein Bild von einem Auto zeigt oder weil der Opa dabei sitzt und zuschaut und die Enkelin in dem Moment gar nichts von ihm möchte?
Autisten verstehen eben Vieles nicht, was neurotypische Menschen von ihnen verlangen. Deshalb handeln sie auch nicht erwartungsgemäß. Ich denke, damit müssen wir uns arrangieren.

Montag, 7. Juli 2014

Angst vor nichts und niemandem

Die meisten autistischen Kinder mögen es nicht, wenn sich in ihrer gewohnten Umgebung etwas verändert. Viele geraten in Panik, wenn Möbel in der Wohnung verrückt und Wände neu gestrichen werden. Das nimmt ihnen die gewohnte Sicherheit in der für sie unsicheren Welt.
Auch Ortswechsel und fremde Personen machen vielen Autisten Angst.
Allerdings gibt es auch Ausnahmen, die ins andere Extrem fallen. Einige autistische Kinder gehen sofort bei fremden Menschen auf Tuchfühlung, setzen sich bei ihnen ungeniert auf den Schoß, streicheln sie und würden sogar mit ihnen mitgehen. Das birgt eine große Gefahr. Diese Kinder darf man außerhalb des Hauses nie aus den Augen lassen.
Meine 5-jährige Enkelin hat auch vor nichts und niemandem Angst. Sie strahlt jeden Fremden an, der ins Haus kommt, weicht keinem Handwerker von der Seite, spielt am liebsten mit den Papas anderer Kinder, die zu Besuch kommen. Hier zu Hause ist das kein Problem. Aber wenn wir der Kleinen weiterhin nicht deutlich machen können, dass sie grundsätzlich nicht einfach mit Fremden mitgehen darf, ist sie ständig in Gefahr. Dann können wir sie nie ohne Aufsicht rausgehen lassen, auch wenn sie sich eines Tages im Straßenverkehr sicher verhielte.
Sie hat auch keine Angst vor lauten Geräuschen oder großen Tieren. Kein noch so lauter Bohrer schreckt sie ab und kein noch so großes Pferd.
Letztens waren wir bei Freunden auf dem Pferdehof, wo sechs erwachsene Pferde und ein zwei Monate altes Fohlen auf der Weide grasten. Die Pferde, die Menschen gewohnt und extrem zutraulich sind, umringten uns sofort, steckten der Kleinen ihre riesigen Köpfe zu und knabberten an ihr. Sie jauchzte und lachte vor Freude. streichelte die großen Tiere am Kopf, am Bauch und an den Beinen und versuchte, das Fohlen zu umarmen.
Auch in fremden Wohnungen oder Gärten geht die Kleine auf Erkundigungstour. In den Wohnungen interessieren sie alle  technischen Geräte wie Fernseher, Fernbedienungen, CD-Player, Kaffeemaschinen und Waschmaschinen. Die Gärten durchstreift sie bis in die hintersten Ecken, geht mit nackten Beinen durch Brennnesseln und Dornensträucher, ohne dass es sie im geringsten stört.
Dieses Kind ist extrem freiheitsliebend. -- Auf der anderen Seite jedoch hält sie unerbittlich an Ritualen fest, die ihr wichtig sind. Es gibt Dinge in ihrem Zimmer, die um keinen Preis verändert werden dürfen; Abläufe, die nicht variieren dürfen. Damit kann sie dann nicht umgehen und ihre Welt gerät ins Wanken.      

Samstag, 5. Juli 2014

TV und nächtliche Aktivitäten

Mein Buch: "Fanti, das kleine Schlitzohr - Leben mit einem autistischen Kleinkind", das am 1.5.14 erschien und schon sehr viele Leser in den Bann gezogen hat, endet in der Erzählung, als die kleine Marie 4,5 Jahre alt ist. Vor 2 Monaten ist sie nun 5 Jahre alt geworden und in der Zeit hat sich so viel ereignet, dass es sich lohnen würde, das Buch fortzusetzen. Die Blogbeiträge sind nur Momentaufnahmen. 


Wer will schon, dass Kinder viel fernsehen?
Während meine Tochter auf ihr Baby aufpasste, arbeitete sie am PC und ließ ganz leise im Hintergrund den Fernseher laufen. Das Kind konnte gut dabei schlafen und wenn es in seinem Bettchen spielte, schaute es auch nicht zum Fernseher hin --- außer, wenn Werbung kam. Das schien die Kleine von Anfang an zu faszinieren.
Als sie dann ihr eigenes Zimmer bekam, musste der Fernseher mit; auch dort lief er ohne Ton. Doch sobald Werbung kam (sie musste es spüren, denn zu hören war sie nicht), unterbrach das Kind ihr Spiel und schaute gebannt auf die Mattscheibe. Danach war der Fernseher wieder völlig uninteressant. Mit ca. 3 Jahren jedoch lachte sie laut, wenn Formel 1 lief.
Inzwischen ist sie 5 Jahre alt und bedient den Receiver selber. Außerdem besteht sie jetzt auf eine gewisse Lautstärke. Dann baut sie an ihrer Eisenbahn und im Hintergrund läuft stundenlang eine Dauerwerbesendung für Sammel-CDs mit Liedern von Heintje, Alpenliedern, Schnulzen aus den 80ern etc. Da die Kleine extrem musikalisch ist, trällert sie beim Spielen die Melodien mit. Als sie letztens bei der Logopädin anfing, eine alte Schnulze zu summen, hat diese laut gelacht und sofort angefangen, mitzusingen.
Das Fatale jedoch ist, dass sie sich weigert, schlafen zu gehen, wenn der Fernseher ausgemacht wird. Würden wir es durchsetzen, täte die Kleine vor Schreien kein Auge zu. Wir können (meine Tochter und ich haben beide ein Babyphone) die ganze Nacht verfolgen, was sich im Kinderzimmer abspielt. Momentan macht die Kleine die Nacht zum Tag. Sie spielt, singt, klappert, verschiebt Möbel, plappert vor sich hin, lacht und beschwert sich plötzlich über eine volle Windel. Dann muss Mama ran, die Windel wechseln, die Kleine neu umziehen, weil diese darauf besteht, einige Zubettgehrituale wiederholen und hofft dann, dass das Kind endlich mal einschläft. Tut sie das, so kommt es oft genug vor, dass es 2-3 Stunden später schon wieder laut wird. Dann wird erneut im völlig dunklen Kinderzimmer rumort, gegackert, geträllert, Musik gehört und umgeräumt.
Dafür kann es tagsüber passieren, dass es von einer Minute auf die andere im Zimmer plötzlich ganz leise wird und die Kleine irgendwo auf dem Fußboden eingerollt tief und fest schläft. Sie holt sich ihren Schlaf, den sie braucht und ist danach rundum zufrieden. 

Mittwoch, 2. Juli 2014

Probleme bei der Körperpflege

Meine fünfjährige Enkelin ist ein sehr hübsches, fröhliches Mädchen mit Lockenkopf.
Aber wenn es um Körperpflege geht, kann sie von einer Sekunde zur anderen zu einem kleinen Teufelchen werden.
-        Das Duschen ist nur möglich mit 2 Personen, von der eine mit unter die Dusche steigen, sich also vorher ausziehen und danach selber wieder abtrocknen und anziehen muss. Die Kleine ist sonst nicht zu bändigen. Sie läuft ständig aus der Dusche, rutscht wegen der nassen Füße und des Schaums auf dem Boden aus. Vor jedem Duschen muss der Badboden rutschfest ausgelegt werden.
-        Kämmen der Haare: Nur mit 2 Personen möglich: Der Lockenkopf läuft weg, windet sich auf dem Boden, greift mit den Händen in die Haare. Sie muss von einer Person fixiert und die Händchen müssen festgehalten werden, damit die andere kämmen kann.
-        Zähne putzen: Nachahmendes Lernen funktioniert nur bei Tätigkeiten, die die Kleine interessieren. Sie öffnet nicht freiwillig den Mund. 2 Personen sind nötig; eine muss sie zwischen den Beinen fixieren, den Kopf mit den Händen festhalten und gleichzeitig versuchen, ihr den Mund zu öffnen. Die andere muss versuchen, ihr die Zähne zu putzen.
-        Windeln wechseln: Oft nur mit 2 Personen möglich; denn wenn die Kleine nicht möchte, muss eine Person sie auf dem Boden oder auf dem Sofa festhalten und die andere die Windel öffnen. Danach heißt es, mit einer neuen Windel hinter der Kleinen herzulaufen, um sie zu überzeugen, sich diese anziehen zu lassen.
-        Fuß- und Fingernägel und Haare schneiden: Dazu sind 3 Personen nötig (2 zum Festhalten), weil es sonst zu Verletzungen mit der Schere käme. -        Die Kleine läuft am liebsten den ganzen Tag nur in Windeln herum. Deshalb ist das An- und Ausziehen meist ein Spießrutenlaufen: In der Regel nur mit 2 Personen möglich unter hohem Zeitaufwand. Hinterherrennen, Einreden auf das Kind, Locken mit Bildern oder Einkaufstasche, um zu erreichen, dass sie sich aufs Anziehen einlässt. Wenn alles nicht hilft und Termine eingehalten werden müssen, ist „Zwang“ nötig. Das Kind wehrt sich dann mit aller Kraft. Hat man es endlich geschafft, ihr den Body anzuziehen und greift nach dem nächsten Kleidungsstück, hat sie den Body schon wieder vom Körper gerissen. Dieser „Kampf“ kann bis zu 2 Stunden dauern. Vor wichtigen Terminen müssen 2 Stunden Zeit allein fürs Anziehen einkalkuliert werden, damit eine Chance besteht, rechtzeitig fertig zu werden.
Abends vor dem Zubettgehen muss genau so viel Zeit fürs Ausziehen und Anziehen (für die Nacht) eingeplant werden.
Es ist ein täglicher Kampf, die Kleine an die Anforderungen "zivilisierten" Aussehens gewöhnen zu wollen.

Sonntag, 29. Juni 2014

Was kann unsere fünfjährige frühkindliche Autistin - was kann sie nicht?

Die Diskrepanzen in den Fähigkeiten sind so groß.
Unsere Kleine kann nicht Dreirad fahren und keinen Ball werfen oder auffangen.
Dafür kann sie die Kaffeemaschine von A - Z bedienen.
Sie kann allein kein einfaches Puzzle zusammensetzen, was für Zweijährige bestimmt ist, weil sie es sich nicht einmal zeigen lässt.
Dafür kann sie nach zweimaligem Zusehen die Waschmaschine selbstständig bedienen.
Sie könnte niemals auf den Straßenverkehr achten und würde blindlings auf die Straße laufen.
Dafür weiß sie im Supermarkt genau, in welchem Regal welches Produkt liegt, zieht an der Kasse das Portemonnaie aus der Handtasche der Mama, holt einen Geldschein heraus und sortiert das Wechselgeld wieder sorgfältig ein.
Sie versteht keine Anweisungen, wenn man ihr ein Spiel erklären will oder sie auffordert, etwas aus ihrem Zimmer zu holen.
Dafür beherrscht sie die Fernbedienung des Fernsehers und den CD-Player vorbildlich.
Sie versteht nicht, dass sie uns die metacom-Symbole, die wir im Rahmen der unterstützten Kommunikation einsetzen, bringen soll, wenn sie etwas haben möchte. Dafür will sie lieber die Begriffe schreiben lernen.
Sie kann trotz hundertfachen Übens "Mama", "Opa", "Ball", "Hund", "Auto" und sonstige gängige Begriffe nicht sprechen.
Dafür zählt sie fehlerlos bis 20.


Wir wissen nicht, was in dem Köpfchen vor sich geht. Sie wird es uns auch nicht verraten. Deshalb sind wir oft so ratlos. 

Montag, 23. Juni 2014

Verreisen mit autistischen Kindern?

Vielfach tun sich autistische Kinder schwer mit Orts- und Umgebungsveränderungen. Selbst wenn im häuslichen Umfeld Möbel umgestellt oder Tapeten gewechselt werden, kommen sie damit nicht klar, weil sie damit das bisschen Sicherheit im Chaos ihrer Wahrnehmungswelt verlieren.
Deshalb können viele Familien mit autistischen Kindern nicht verreisen.
Bei meiner Enkelin liegt der Fall ganz anders. Sie hat keine Probleme mit fremden Umgebungen, Personen oder Örtlichkeiten. Trotzdem ist eine Übernachtung mit ihr außerhalb ihres eigenen Zimmers unmöglich.
Sie schläft ausschließlich, wenn niemand zusammen mit ihr im Zimmer ist.
Ein eigenes Zimmer in einem Hotel, einer Ferienwohnung o.ä. müsste so hergerichtet werden, dass es dort verschließbare Fenster, kein fließendes Wasser, nur gesicherte Steckdosen, keine Vorhänge, keine Möbel zum Klettern, keine Glühbirnen zum Rausdrehen etc. gibt. Die 5-jährige wird nachts wach und erkundet im Dunkeln ihr Umfeld. Sie verschiebt ganze Betten, klettert überall herauf, um an für sie interessante Dinge heran zu kommen. Sie würde das Bettzeug abziehen, Stuhlkissen von den Bezügen befreien und den Schaumstoff zerlegen, Bilder und Spiegel von den Wänden holen, und kleinere, nicht an den Wänden festgeschraubte Schränke verrücken oder sogar umkippen. In das Bett würde sie ihr Spielzeug packen und sich irgendwo einen Schlafplatz suchen.
Übernachten bei Freunden ist somit tabu - sie könnten kaum ein Zimmer für eine Nacht passend herrichten.
Übernachtung im Hotel mit passenden Vorgaben käme gar nicht in Frage - mit einem Kind, das nachts die Möbel rückt und dabei auch noch laut singt, wären wir am nächsten Tag rausgeflogen.
Ein Ferienhaus zu finden, das alle Bedingungen erfüllt, ist wie die Suche einer Stecknadel im Heuhaufen. 
Also bleibt alles beim Alten und wir bleiben mit der Kleinen zu Hause und träumen vom wohlverdienten Urlaub. 

Samstag, 21. Juni 2014

Wenn das Kind nur allein spielen möchte

Meine Enkelin hat seit einigen Wochen eine Duplo-Eisenbahn. Sobald sie morgens die Augen öffnet, möchte sie ihre Eisenbahn aufbauen und dann niemanden mehr in ihrem Zimmer haben. Zwischendurch kommt sie mal heraus gelaufen und möchte ein Gemüsegläschen essen. Dann aber zieht sie sich wieder zurück und wenn Mama in ihr Zimmer kommt, wird sie mit lauten Tönen, eindeutigen Gesten und kräftigem Schubsen aus dem Zimmer geschoben.
Wenn die Kleine das Spielen unterbrechen soll, weil ein Therapietermin ansteht und sie dafür fertig gemacht werden muss, beginnt ein großer Kampf. Sie schreit und wehrt sich nach Leibeskräften und ist mit nichts zu bewegen, den Anordnungen Folge zu leisten. Es gibt auch nichts, was wir ihr in Aussicht stellen können, um sie zu motivieren, das Haus zu verlassen.
Würden wir der Kleinen morgens versuchen, die Eisenbahn zu verweigern, um ihr zu verdeutlichen, dass nach dem Termin die Eisenbahn lockt, wäre die Hölle los. Sie ließe sich vor lauter Schreien und Toben nicht sagen bzw. durch Bildkarten erklären, dass wir erst aus dem Haus gehen müssen und sie danach mit der Eisenbahn spielen kann.
Haben wir es einmal geschafft, sie frisch gewickelt und angezogen aus dem Haus zu bekommen, machen ihr die Therapien, die Besuche bei Familien mit Kindern oder die Ausflüge durchaus Spaß. Aber nichts davon motiviert sie so, dass sie sich beim nächsten Mal dafür freiwillig aus ihrem Zimmer locken ließe, wo sie am liebsten allein spielt - unterbrochen durch ein wenig Essen und gelegentliche Kitzel-  und Kuscheleinheiten, die sie sich von Mama einfordert. 

Mittwoch, 18. Juni 2014

Autisten und ihr Kontrollzwang

Schon sehr früh haben wir gemerkt, dass meine kleine Enkelin sich partout nichts zeigen ließ und alles, was sie kann, autodiaktisch erlernte. Als sie die ersten Stapeltürmchen bekam, ließ sie es nicht zu, dass ihre Mama ihr zeigen wollte, dass das größte zuunterst kam und dann die weiteren folgten, bis das kleinste oben aufsaß. Sie schien sich überhaupt nicht für die Stapelbecher zu interessieren. Nach einer ganzen Weile jedoch sahen wir plötzlich, dass sie sie doch gestapelt hatte; doch nach ihrer Art. Genau der Größe nach - doch das kleinste war unten und das größte oben.
Sie ist jetzt 5 Jahre alt und hat seit langem die Diagnose frühkindlicher Autismus. Ein bekannter Autismusexperte bemerkte letztens, sie sei Autistin wie aus dem Handbuch - wegen ihres ausgeprägten Kontrollzwangs.
Für Autisten ist die Welt um sie herum chaotisch. Sie können Vieles nicht verstehen und einordnen. Sie verspüren nur dann Sicherheit, wenn sie sich ihre eigene Ordnung schaffen. Das geschieht bei manchen dadurch, dass sie über Situationen die totale Kontrolle gewinnen. Sie suchen sich Bereiche aus, die sie selber erlernen (durch Ausprobieren oder durch Abschauen) und dann eigenständig ausführen. Sei es der kreative Umgang mit ihrem Spielzeug oder mit technischen Geräten, sei es die vollständige Selbstbestimmung bei der Wahl der Kleidung und dem Zeitpunkt, wann sie sich anziehen möchten und und und.
Deshalb gibt es auch unendliche Kämpfe und Ausraster, wenn jemand ihnen diese Kontrolle nehmen will. Meine Enkelin ist nicht zu bändigen, wenn sie z.B. zu einem bestimmten Zeitpunkt angezogen sein soll, weil ein Termin wahrzunehmen ist. Sie schreit und wehrt sich aus Leibeskräften, weil sie die Notwendigkeit nicht versteht und der für sie falsche Zeitpunkt sie in die Unsicherheit der chaotischen Welt stürzt, was wahrscheinlich Panik in ihr auslöst.
Dann stehen die Angehörigen vor einem echten Dilemma. Hier geht es nicht darum, sich gegen den "einfachen" Trotz eines Kindes durchzusetzen. Hier gilt es erst einmal darum zu verstehen, warum das autistische Kind so heftig reagiert. Dann muss abgewogen werden, ob ein Termin so wichtig ist, dass es nötig ist, das Kind dafür so aus seiner Ordnung und Sicherheit zu reißen. Ist es unumgänglich (z.B. bei wichtigen Therapien, Untersuchungen oder Schulpflicht), so muss man viel Nerven und Geduld aufbringen, um mit dem Kind die Situation durchzuhalten, bis es sich (u.U. erst nach Stunden) beruhigt hat und fähig ist, die Kontrolle abzugeben.

Freitag, 13. Juni 2014

Frust-Verarbeitung

Es ist wieder einmal Sommer.
Meine Tochter und ich schwelgen in Erinnerungen an die Ausflüge und Reisen, die sie als Fünfjährige schon mit uns damals erleben durfte. Wie gerne würde sie jetzt die sonnigen Tage nutzen, um ihrem Töchterchen Vieles von dem zu zeigen, was sie selber als Kind schon so toll fand. Ausflüge in den Zoo, auf riesige Spielplätze, Reisen an die See, Fahrten im Schlafwagen und auf großen Fähren, Ferien auf dem Bauernhof, im Kinderland .....
Momentan jedoch hat ihr autistisches Töchterchen eine Phase, in der sie mit nichts aus ihrem Zimmer von ihrer Duplo-Eisenbahn wegzulocken ist, mit der sie stundenlang spielen möchte. Ab und an läuft die Kleine für ein Stündchen in den Garten zum Sandkasten. Sie wehrt sich heftigst dagegen, sich anziehen zu lassen, um irgendwo hinzufahren. Sie ist glücklich in ihrer kleinen Welt, mit ihrem Spielzeug in ihrer gewohnten Umgebung.
Sollen wir sie zwingen, mit uns das Haus zu verlassen, um beispielsweise im Zoo nur ansatzweise von einigen Tieren Notiz zu nehmen? Sollen wir mit ihr eine Reise unternehmen, die letztendlich nur Stress für alle bedeutet?
Doch die Gefühle einer Mutter sind ambivalent: Sie möchte, dass ihr Kind glücklich ist, ist aber gleichzeitig unglücklich darüber, dass sie es nicht damit glücklich machen kann, worüber sie sich als Kind sehr gefreut hat und sich auch heute die anderen (neurotypischen) Kinder freuen würden.  

Mittwoch, 11. Juni 2014

Autisten und die Gesellschaft

Viele erwachsene Asperger Autisten, die weitestgehend selbstbestimmt ihr Leben meistern können, möchten sich vielfach nicht beliebig verbiegen und mehr als nötig anpassen. Sie schätzen es sogar, einige Vorteile ihrer autistischen "Stärken" besonders zu betonen und möchten nicht zu neurotypischen Menschen umgepoolt werden.
Das ist durchaus verständlich; denn sie finden sich in der Gesellschaft zurecht, fallen zwar auf, können aber trotzdem ihre Nische dort finden.  


Wie aber verhält es sich mit der schwierigen Erziehung von Kindern mit frühkindlichem Autismus, die nicht verstehen, warum sie bestimmte Verhaltensweisen lernen müssen, um sich im Kindergarten, spätestens in der Schule überhaupt zurecht zu finden? Sie sollten wenigstens wissen, dass sie
- bekleidet, gewaschen und gekämmt dorthin kommen sollen
- meist auf einem Platz sitzen bleiben sollten
- den anderen Kindern nichts wegnehmen dürfen
- unter Hilfestellungen angemessene Aufgaben erledigen müssen
- mit Essen nicht um sich werfen können
- nicht beliebig den Raum verlassen dürfen
Doch schon dafür sind im Elternhaus viele Kämpfe nötig, um einem solchen Kind, das Sprache und Erklärungen nicht versteht, was Erziehung extrem schwierig macht, diese einfachen Verhaltensregeln beizubringen.
Es geht also um die Frage, was Autisten mindestens erlernen müssen, um ein Minimum an Kompatibilität mit der neurotypischen Gesellschaft zu erreichen?







Sonntag, 8. Juni 2014

Das Riesenproblem mit dem Anziehen und ungewöhnliche Nachtbekleidung

Seit Monaten ist es in der Regel nur mit zwei Personen möglich unter hohem Zeitaufwand, meine fünfjährige Enkelin zum Anziehen zu bewegen. Hinterherrennen, Einreden auf das Kind, Locken mit Bildern oder Einkaufstasche sind das Mindeste, um zu erreichen, dass sie sich aufs Anziehen einlässt. Wenn alles nicht hilft und wichtige Termine eingehalten werden müssen, ist „Zwang“ nötig. Die Kleine wehrt sich dann mit aller Kraft. Hat man es endlich geschafft, ihr den Body anzuziehen und greift nach dem nächsten Kleidungsstück, hat sie sich den Body schon wieder vom Körper gerissen. Vor wichtigen Terminen müssen bis zu zwei Stunden Zeit allein fürs Anziehen einkalkuliert werden, damit eine Chance besteht, rechtzeitig fertig zu werden.
Seit mehr als zwei Jahren bestimmt die Kleine, was sie nachts anziehen möchte. Lässt man sie nicht gewähren, ist an schlafen nicht zu denken. Gerade in heißen, schwülen Sommernächten ist ihre Auswahl besonders kurios. Was sie sich im letzten Sommer anzog, habe ich ausführlich in meinem Buch beschrieben.
An diesem heißen Pfingstwochenende wählte sie am ersten Abend 3 Bodys, 2 davon langärmlig; wir konnten mit Mühe verhindern, dass sie mit langärmligen Pullis fortfuhr. Stattdessen wurden es 5 T-Shirts, die über die Bodys gezogen werden mussten. Die 3 weiteren, die sie noch ausgewählt hatte, kosteten ebenfalls viel Zeit und Tricks, um sie wieder in den Korb zurück zu befördern. Dann kam die dickste Strumpfhose, die sie besitzt. Auch da half nur eine List, um zu verdeutlichen, dass eine weitere nicht mehr darüber passte. Natürlich jedoch bestand sie noch auf einer Überhose in Form einer langbeinigen Jogginghose. 
Am zweiten Abend waren ihre Kleidchen gewaschen aus dem Trockner gekommen und dann ging es los. 2 Bodys, alle 5 Kleidchen übereinander - das sechste war nicht elastisch und passte deshalb nicht auch noch -.Wieder eine dicke Strumpfhose und diesmal unter den Kleidern über der Strumpfhose eine Thermohose.


Die Leser werden sich fragen, warum das Kind im Sommer überhaupt an langärmlige Pullis, Strumpfhosen und Thermohosen heran kommt. Ganz einfach: Sie erinnert sich an alles, was sie hat und stünde sonst weitere Stunden schreiend vor dem abgeschlossenen Kleiderschrank, um die gewünschten Kleidungsstücke einzufordern. Sie möchte wählen; deshalb liegen ihre Sachen in drei Wäschekörben und sie sucht aus. 
Anfangs hatten wir mächtig Sorge, das Kind trüge Schaden davon, wenn es in heißen Sommernächten viel zu warm bekleidet schlafen ginge. Doch morgens wacht sie fröhlich auf und hat nicht einmal geschwitzt.

Samstag, 7. Juni 2014

Fremder "Babysitter" wäre unmöglich

Inzwischen ist hinreichend bekannt, dass ich meine fünfjährige Enkelin zusammen mit meiner Tochter großziehe. Wir machen fast alles zusammen, doch in den letzten Monaten hat sich seitens der Kleinen eingebürgert, dass Mama allein das fast zweistündige Zubettgehritual (nicht eingerechnet ist die vorangehende Körperpflege) durchziehen muss. Oma wird meist aus dem Zimmer "geworfen". Nur an einer Stelle, beim "Anziehen der Strumpfhose" muss ich kommen - das darf die Mama nicht. Trotzdem weiß ich so ungefähr, wie das Ritual abläuft, was alles beachtet werden muss, damit unser Schatz endlich zufrieden den Tag beendet. Wenn also meine Tochter gegen Spätnachmittag einmal unvermeidbar dringend einen längeren Termin wahrnehmen muss, kann nur ich das Kind ins Bett bringen. Jeder noch so gut gemeinte Familien unterstützende Dienst würde sich die Zähne ausbeißen und die Kleine bliebe - immer müder und reizüberfluteter - so lange auf, bis die Mama wieder da wäre.
Dann jedoch wäre die Kleine so überlastet, dass an ein ruhiges Zubettbringen nicht mehr zu denken ist.
Das Kind hätte grundsätzlich gar nichts gegen die Person, die bereit wäre, das Abendritual zu übernehmen. Nur - sie kennt dieses nicht. Und genau das stellt das Problem dar. Da die Kleine nicht spricht, kann sie nicht sagen, was als Nächstes und wie genau gemacht werden muss. Aufschreiben kann man so etwas nicht mit allen Details; man würde bestimmt viel zu viel vergessen. Wer welchen Lichtschalter wann in welcher Reihenfolge an- oder auszumachen hat - dafür bedürfte es schon eines professionellen Regiebuches. Wer jedoch, wie ich, die Kleine sehr gut kennt, darf sich schon mal einen kleinen Patzer oder eine Vergesslichkeit erlauben. Ich verstehe ihre Gesten und wenn etwas nicht ganz stimmt, weist sie mich dann entsprechend darauf hin, dass ich etwas falsch gemacht oder ausgelassen habe. Dann dauert es höchstens etwas länger, wenn ein Schritt wiederholt werden muss. Vor allen Dingen ist das Windelnwechseln und das Anziehen ein Kapitel für sich. Davon werde ich das nächste Mal eigens berichten.



Mittwoch, 4. Juni 2014

Umgang mit Kritik

"Nobody is perfect".
Ich bin alt, gebildet und belesen genug, um souverän mit Kritik umgehen zu können. Das mag jetzt arrogant klingen, ist aber nicht so gemeint.
Es gibt immer Menschen, die es besser wissen wollen und es gibt Menschen, die Vieles tatsächlich besser wissen.
Aber wer weiß schon wirklich zu hundert Prozent über das Phänomen "Autismus" Bescheid? Da muss man sich an den gängigen Stand der Forschung halten, an die Vorgaben der Behörden und an die eigenen Erfahrungen.
Bisher wurde im Bereich des Autismus grob unterschieden zwischen frühkindlichem Autismus (Kanner), Asperger-Autismus, atypischem Autismus und noch einigen Unterformen des frühkindlichen (HFA, IFA, LFA). Da jedoch die Abgrenzungen oft schwierig sind, wird es in Zukunft nur noch die Bezeichnung ASS: Autismus Spektrum Störung geben.
Nichtsdestotrotz: Meine Enkelin hat sehr früh die Diagnose "frühkindlicher Autismus" bekommen, die als schwere Behinderung gilt. Deshalb hat sie sofort einen Schwerbehindertenausweis über 100% bekommen, obwohl sie keine weitere Beeinträchtigung hat. Außerdem hohe PS. Zusätzlich habe ich mich intensiv (in Vorlesungsskripten von Universitäten) belesen, wie die Zukunftsaussichten für diese Kinder sind. Demnach bleibt ein sehr hoher Prozentsatz dieser Menschen ein Leben lang voll betreuungsbedürftig.
Ich habe diesen Blog begonnen, um neben den Erfahrungen im Umgang mit einem betroffenen Kind, die ich bereits in meinem Buch "Fanti, das kleine Schlitzohr - Leben mit einem autistischen Kleinkind" http://www.tiponi-verlag.de/leseprobe-ilse-gretenkord/ ausgedrückt habe, weitere Themen anzusprechen. Ein Blog ist keine wissenschaftliche Plattform sondern gibt viele persönliche Erfahrungen und Meinungen wieder. Negative Kritik an meinen Beiträgen bleibt jedem frei.
Die unzähligen positiven Rückmeldungen zu meinem Buch bestätigen mich dabei, meinen Blog in dieser Weise fortzusetzen.

Dienstag, 3. Juni 2014

Schwere Lebenskrise in neue Perspektiven umwandeln

Meine fünfjährige Enkelin, die ich zusammen mit meiner alleinstehenden Tochter großziehe, hat frühkindlichen Autismus. Das ist eine schwere Behinderung, die das Leben der Angehörigen total auf den Kopf stellt. Sie verändert den gesamten Tagesablauf, die Wohnsituation, die persönlichen Kontakte, verhindert Freizeit und Reisen und kostet Kraft bis an den Rand des burn-outs. Trotzdem lieben wir diesen kleinen Engel über alles.

Um diese tiefgreifende Lebensveränderung zu verkraften, habe ich ein Buch geschrieben, das erst am 1.5.14 erschienen ist.
http://www.tiponi-verlag.de/leseprobe-ilse-gretenkord/
Der große Erfolg dieses Buches stellt einen Lichtblick dar; verknüpft mit diesem Buch ist der Plan, dass meine Tochter und ich die Gründung eines Vereins zur Hilfe für Kanner-Autisten und ihre Angehörigen initiieren. Denn 50% des Reinerlöses aus dem Buchverkauf werden in die Vereinskasse fließen. Ich selber werde mich in Zukunft stark machen dafür, dass (bei steigender Anzahl von Autisten) die Öffentlichkeit stärker über dieses "mysteriöse Phänomen" aufgeklärt wird. Das soll verhindern, dass diese Kinder gemobbt und ihre Eltern gemieden werden, weil sie ein "eigenartiges, unerzogenes und verrücktes" Kind haben.
Somit wird diese unerwartete Lebenskrise positiv umgewandelt in soziales Engagement.

Sonntag, 1. Juni 2014

Die besondere Liebe zu besonderen Kindern

Von autistischen Kindern Liebe zu erwarten, führt manchmal zu Enttäuschungen. Meine Enkelin strahlt mich an, wenn ich von einem bestimmten Einkauf wiederkomme - aber nur deshalb, weil sie auf das Produkt gewartet hat, das ich ihr mitgebracht habe. Sie läuft mir jauchzend entgegen, wenn ich ins Haus komme, aber nur, weil sie möchte, dass ich ihr dabei helfe, die Strumpfhose anzuziehen. Sie wirft sich dem Opa in die Arme, aber nur, weil sie möchte, dass er sie dann herum schwenkt. Sie legt sich quietschend vor Mama auf den Boden und verlangt nach ihr, aber nur, weil sie von ihr gekitzelt werden möchte.
Viele Autisten benutzen ihre Mitmenschen (nur) dazu, dass sie ihnen ihre Bedürfnisse erfüllen.
Und trotzdem: Wer kann dem strahlenden Lächeln eines solchen Kindes widerstehen, das noch eine Weile zuvor nicht in der Lage war, überhaupt von sich aus Kontakt aufzunehmen? Wer nimmt es nicht gerne zum Herumschwenken hoch, weil es jetzt in der Lage ist, auf den Opa zu statt an ihm achtlos vorbei zu laufen, so als existiere er gar nicht? Welche Oma würde sich nicht freuen, dass gerade sie jetzt die Strumpfhose anziehen darf? War es doch in den ersten Lebensjahren dem Kind völlig egal, von wem es versorgt wurde. Somit ist auch die Mama begeistert, dass nur sie für bestimmte Tätigkeiten zuständig sein darf und nicht mehr austauschbar ist.
Menschen, die nicht bereit sind, sich in das Sosein autistischer Kinder hinein zu versetzen, könnten sich beleidigt von diesen abwenden, weil sie nicht nur Mittel zum Zweck sein wollen. Wer jedoch bereit ist, ein solch besonderes Kind ohne Wenn und Aber zu lieben, dem wird das Herz aufgehen beim ersten Lächeln, bei der ersten Kontaktaufnahme, beim ersten Entgegenrennen und bei jeder Aufforderung seitens des Kindes, etwas für oder mit ihm zu tun.
Das ist so unvergleichlich schön und entschädigt für alles, wenn der kleine Engel glücklich strahlt.

Mittwoch, 28. Mai 2014

Ist Autismus vererbbar?

Vor der Beantwortung dieser Frage habe ich zuerst einmal viel lesen und lernen müssen. Gelesen habe ich jedoch keine wissenschaftlichen Bücher, sondern in Autismusforen. Dort gibt es zu meinem Erstaunen viele Familien, in denen es durchaus mehr als ein autistisches Kind gibt. Meist in der Reihenfolge: Erst z.B. einen Asperger-Autisten, dann einen oder sogar mehrere Kanner-Autisten.
Ich gebe es hier nur so wieder. Eine Ursachenerklärung maße ich mir nicht an.


Dann gibt es immer wieder Familien, in denen ein autistisches Kind erstmals und einmalig vorkommt. Vielfach sind es dann Großeltern, die ihren eigenen Kindern Vorwürfe machen, das Enkelkind nur nicht vernünftig zu erziehen. Hören sie dann von der Diagnose "Autismus", so heißt es direkt: "So was hat es bei uns aber nicht gegeben."
Vorsicht! Vielleicht sollte man spätestens dann anfangen, mal im eigenen Umfeld nachzuforschen, ob nicht doch die eine oder andere verwandte Person des Kindes als immer "schon sehr wunderlich" aufgefallen ist. In der Generation der heutigen Großeltern war Autismus so gut wie nicht im Bewusstsein der Öffentlichkeit und so wuchs mancher Mensch auf, der von seiner Umwelt als Sonderling mit Macken (besonders in Bezug auf gesellschaftlichen Umgang), als Eigenbrödler, als Außenseiter sein Leben fristete. Manche von denen schafften es allerdings sogar, beruflich Fuß zu fassen und eine Familie zu gründen. Dabei war das Zusammenleben mit ihnen jedoch nicht immer einfach (wegen ihrer festgefahrenen Meinungen, Rituale, Besonderheiten, Unfähigkeit zur Flexibilität und Spontaneität , Unzulänglichkeiten, Pedanterie, Ordnungswahn, Ungeschicklichkeiten, Ungeselligkeit, wegen der Schwierigkeit, mit ihnen "normal" zu kommunizieren...).  
Wer als älterer Mensch heutzutage bereit ist, darüber zu reflektieren, wird feststellen, dass es durchaus in der Generation schon unerkannte, nicht diagnostizierte Asperger Autisten gegeben hat, die diese Anlage dem Enkelkind vererbt haben könnten.


Es gibt auch Familien, die erst durch die intensive Auseinandersetzung mit der autistischen Behinderung des Kindes durch Kanner-Autismus nach und nach feststellen, dass sogar der Vater als auch die Großmutter (bisher unerkannte und deshalb noch nicht diagnostizierte) Asperger-Autisten sind.


Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, ob die Ursache für den Autismus des Kindes in einer  Vorbelastung durch ein Eltern- oder Großelternteil liegen könnte (nicht zwingend muss). Falls ja, könnte das auch für den "Verursacher" selbst eine Möglichkeit sein, Hilfestellung für das eigene Leben zu bekommen.

Samstag, 24. Mai 2014

Wenn die Kommunikation nicht klappt

Wer kennt das nicht, dass man bei manchen Menschen das Gefühl hat, gegen eine Wand zu reden? Sie scheinen einfach nicht zu verstehen, was man meint.
Wer sich mit Asperger-Autisten auskennt, weiß, wie schwer die Kommunikation mit diesen sein kann (nicht zwingend muss). Sie legen oft jedes Wort auf die Goldwaage, verstehen keine Ironie, keinen Wink mit dem Zaunpfahl, nehmen alles wortwörtlich, missverstehen also auch den Sinn von Redewendungen. 


Was aber ist mit Kanner-Autisten, die gar nicht sprechen und kein Sprachverständnis haben, so dass sie auch das Gegenüber nicht verstehen? Dann wird es richtig schwierig. Natürlich gibt es Möglichkeiten non-verbaler Kommunikation. Doch meist ist es bei frühkindlichen Autisten schon schwer oder dauert sehr lange , dass diese Kinder auf etwas zeigen oder dem Finger der Eltern folgen, die ihnen etwas zeigen wollen. Manche dieser Kinder ergreifen irgendwann auch die Hand der Erwachsenen und ziehen sie dorthin, wo diese Hand etwas ausführen soll.
Der Übergang zur Arbeit mit Bildkärtchen ist schon ein großer Schritt. Denn dazu sind viele Verständnisschritte seitens des Kindes zu bewältigen. Es muss die Symbole verstehen, lernen, auf die Bildkarte zu zeigen oder sie dem Erwachsenen zu bringen, wenn es Entsprechendes möchte. Der Erwachsene wird dabei diese Aufforderung mit Sprache unterstützen, indem er z.B. sagt: "Du möchtest einen Apfel?"
Im günstigen Fall wird das Kind auf diese Weise eines Tages das Sprechen lernen, wobei ca. 50% der Kanner-Autisten leider ein Leben lang non-verbal kommunizieren.


Der umgekehrte Weg, dass ein Kind mittels der Bildkarten "erzogen" werden oder ihm etwas mitgeteilt werden soll, was zu tun ist, wird oft mühsamer. Da geht es um Verbote oder um Handlungsabläufe oder Zeitspannen.
Wenn das Kind z.B. die Kaffeemaschine anstellen möchte, so wären für ein Verbot gleich zwei Symbolkarten nötig: "Kaffeemaschine" und "nein". Diese Verknüpfung ist viel schwerer, zumal das Symbol für "Kaffeemaschine" eindeutig, das für "nein" als solches schon schwierig ist.
Geht es z.B. um das Fertigmachen zum Einkaufen und das Kind will sich nicht anziehen, so sind etliche Bildkarten erforderlich. z.B. "anziehen" (sehr abstrakt), "Einkaufstasche" oder "Geld", "Auto" oder "Buggy", "Einkaufswagen" oder "Kasse" oder weitere Kombinationen. Statt des abstrakten Symboles "anziehen" könnte man "Body", Pullover", Strumpfhose", Hose, Schuhe", Jacke" nehmen, was zeigt, wie aufwändig das Ganze ist.
Geht es beispielsweise um die Uhrzeit, wann ein Familienmitglied nach Hause kommt, so ist das auch schwer erklärbar. Einem kleinen Kind, das Sprache langsam versteht, kann man sagen: "Wenn der Zeiger der Uhr da und da steht, kommt der Papa nach Hause". Das allein mit Bildkarten einem autistischen Kind, das eventuell über einen nicht sehr hohen IQ verfügt, verständlich zu machen, grenzt schon an hohe Kunst.


Das ist erst der erste Schritt, um zu versuchen, autistische Kinder gegebenenfalls ans Sprechen zu bringen. Sollte das wirklich gelingen, dass hierbei schon viele Begriffe und Zweiwortsätze erlernt werden, können weitere Maßnahmen und Hilfsmittel zu großen Erfolgen führen.
 
 

Tiergestützte Therapie

Reittherapie ist bei autistischen Kindern durchaus verbreitet und viele finden Gefallen daran. Pferde waren auch die Lebewesen, die unsere Kleine als erstes als solche und nicht nur als Gegenstände wahrgenommen hat. Das war bei unseren Katzen, die sie viel öfter sah, durchaus nicht der Fall. Eines Tages stand einer unserer Kater ihr auf der Terrasse im Weg. Kurzerhand griff die gerade Dreijährige diesen mit beiden Händen ins Fell, hob ihn an und stellte ihn einen Meter weiter wieder ab. Ein Glück, dass es gerade unser friedvollster Kater war, der nicht mit Kratzen und Beißen darauf reagierte.
Kurz davor hatte ihr jemand einen Hundewelpen auf den Schoß gesetzt. Das Kind hat nicht reagiert; sie konnte mit dem süßen Tierchen nichts anfangen.
Doch bei den riesigen Pferden zeigte sie von klein an keinerlei Berührungsängste. Sie streichelte den Kopf, ließ sich beschnuppern und sogar draufsetzen.
Da Pferde nicht ständig zur Verfügung stehen und auch nicht in Familien und Einrichtungen integriert werden können, sind es die Hunde, die allseits bekannt sind als Helfer für Behinderte.
Auch wir haben vor, in dem Verein, den wir dabei sind zu gründen, Hunde und autistische Kinder zusammen zu führen. In anderen Ländern ist das schon viel weiter verbreitet.
Frei zitiert: "Hunde sind in der Lage, in die Welt autistischer Menschen einzutreten, während Menschen nicht einmal die Chance bekommen, an die Tür zu klopfen."
Autisten sind Menschen, die sich und die Welt auf eine andere Weise wahrnehmen als die neurotypischen. Sie spüren, denken, fühlen und kommunizieren auf anderen Kanälen und empfangen auf anderen Antennen. Daher jedoch können sie einen viel direkteren Zugang zu Tieren finden. Denn beim Kontakt  zwischen Autisten und Tieren stört nicht das Fehlen menschlicher Sprache, weil es viel mehr Formen der Verständigung gibt, die von außen nicht greifbar sind, das Gegenüber jedoch unmittelbar erreichen.
Hunde können leicht das Vertrauen von Autisten gewinnen und ihre großen Defizite im Bereich der Sozialkompetenzen verringern.
Ich nenne ein Beispiel: Zieht ein autistisches Kind ein anderes kräftig an den Haaren, so lacht es nur, wenn dieses vor Schmerz aufschreit. Der Autist kann durch seine fehlende Empathie eine schmerzverzerrte Mimik und das Wort „Aua“ nicht angemessen einordnen. Ein für autistische Kinder ausgebildeter Hund, dem das Kind jedoch zu fest am Schwanz zieht, würde durch ein leichtes Zwicken unmissverständlich klarmachen, dass es zu weit gegangen ist. Diese „Sprache“ könnte das Kind unmittelbar verstehen.

Donnerstag, 22. Mai 2014

Autisten sind individuelle Persönlichkeiten

Immer wieder lese ich in Foren, dass Eltern dieselbe Diagnose für ihre Kinder erhalten, diese dann vergleichen und dabei feststellen, dass sie sich in vielen Punkten des Verhaltens unterscheiden.
Warum wohl?
Weil Autisten Menschen sind - und jeder Mensch ist eine einzigartige, individuelle Persönlichkeit, die man nicht auf einige wenige Verhaltensmerkmale reduzieren kann.
Viele meinen, bei einer Diagnose wie z.B. Autismus könne man sagen:
Ein Autist lässt sich nicht anfassen, schreit bei lauten Geräuschen, zieht sich immer stumm in eine Ecke zurück, schaukelt stereotyp hin und her...............(und was sonst noch alles für Vorstellungen in den Köpfen der Menschen an falschen Vorstellungen darüber vorhanden ist).
Erstens umfasst Autismus ein unendlich weites Spektrum an Verhaltensweisen und zweitens ist jeder Autist anders.
Ich halte mich an die Worte einer Freundin:
"Kennst du einen Autisten - kennst du einen Autisten".  

Mittwoch, 21. Mai 2014

Dank

Ich möchte denjenigen danken, die mein Buch "Fanti, das kleine Schlitzohr - Leben mit einem autistischen Kleinkind" bereits gelesen haben. Es ist erst am 1.5.15 erschienen; doch es gibt schon über 80 Leser und die Rückmeldungen sind überwältigend.
Momentan sammle ich die Emails, die ich bekomme, in denen sich Fremde ebenso wie Bekannte für die bewegende Darstellung bedanken und sich jetzt ein Bild davon machen können, was es heißt, ein autistisches Kind großzuziehen - und - was Autismus bedeutet.
Ich hoffe, dass ich die Genehmigung bekomme, diese Emails einmal veröffentlichen zu dürfen.
Ich danke den Lesern aber auch deshalb, weil sie dazu beitragen, dass die Initiative zur Hilfe für Kanner-Autisten durch den Buchverkauf schon einen Geldbetrag hat beiseite legen können, da 50% aus dem Reinerlös in die zukünftige Vereinskasse fließen.

Montag, 19. Mai 2014

"Heilen" um jeden Preis?

Wer wünscht sich nicht, dass eine bisher als unheilbar geltende Behinderung plötzlich durch Therapie oder Medikamente heilbar sein soll?
Über das verruchte MMS möchte ich mich hier nicht auslassen.
Ich wehre mich gegen die Versprechen der fanatischen Vertreter der ABA-Methode, die die wehrlosen Kinder konditionieren wie einen Hund, die sie stundenlang drillen, die ihren Willen brutal brechen, die sie zu funktionierenden Robotern machen, die zwar große, vorzeigbare Ziele erreichen, bei denen der Mensch (das autistische Kind) als verletzliche Persönlichkeit jedoch auf der Strecke bleibt.
Die ganze Familie muss mitmachen, muss aushalten, dass das wehrlose Wesen stundenlang an einen Tisch gesetzt wird und zu gewünschten Verhaltensweisen gezwungen wird. Nur dann, wenn das Kind eine solche Verhaltensweise aus Verzweiflung endlich zeigt, wird es mit Jubelgeschrei und einem Gummibärchen belohnt. Alles, was dem Kind lieb und wert ist, wird ihm während der unendlich langen täglichen Erziehungsstunden genommen. Es muss lernen, zu funktionieren, gewünschte Verhaltensweisen zu zeigen, die es nicht versteht, die nicht seiner Art entsprechen, nur um wieder eine kleine Belohnung zu bekommen. Die Eigenart des Kindes wird ausgemerzt, der Wille gebrochen, die Persönlichkeit zerstört.
So geht das Tag für Tag, über Wochen und Monate.
Danach kann das autistische Kind viel mehr als zuvor; es gehorcht, es kann evtl. sogar richtig sprechen....--  es ist "geheilt???
Aber zu welchem Preis?
Es ist zu einem psychisch zerstörten Roboter geworden, dessen Eltern dafür ca. 50000,00€ bezahlt haben. Denn die meisten Stellen lehnen die Übernahme der Kosten ab, weil sie auch nicht von der Methode überzeugt werden können.
Es gibt auch Menschen, die von sektenhaften Methoden sprechen, die die Eltern einer Gehirnwäsche unterziehen, dass sie bereit sind, für ihre Kinder so viel Geld zu investieren, um sie "heilen" zu lassen.
Es gibt inzwischen sogar Selbsthilfegruppen sogenannter "ABA-Geschädigter" http://auties.net/taxonomy/term/122.


Fazit: Keine Kindererziehung funktioniert ohne Konditionierung: Ein Eis versprechen, wenn das Kind beim Zahnarzt lieb ist; eine Münze in sein Sparschwein werfen, wenn es freiwillig Unkraut im Garten gerupft hat....


Aber das ist weit von dem entfernt, was ABA (angewandte Verhaltensanalyse) - harmloser Ausdruck für operantes Konditionieren - verfolgt.
Operantes Konditionieren: Erst wird das gewünschte Verhalten gezeigt, dann wird es durch eine Belohnung verstärkt, damit es öfter gezeigt wird.



Sonntag, 18. Mai 2014

AUFKLÄRUNG über AUTISMUS

Wer weiß schon, was AUTISMUS ist?
Es gibt Betroffene, Angehörige von Betroffenen, Forscher zu dem Thema und ganz Außenstehende, die mal das eine oder andere (Richtiges oder Falsches) darüber gehört haben.
Sehr wertvoll für die Aufklärung sind Betroffene, die in der Lage sind, über sich selbst und ihre "Sicht und Wahrnehmung der Welt" zu berichten. Davon gibt es jedoch leider wenige und sie schaffen es auch meist "nur" in schriftlicher Form, weil sie nach wie vor Schwierigkeiten haben, sich in der "Welt neurotypischer Menschen" öffentlich zu präsentieren. Sie gehören zu der Gruppe intelligenter Autisten (z.B. mit Asperger Syndrom), die sich sprachlich ausdrücken können und zusätzlich auch noch die Gabe haben, über ihr Anderssein zu reflektieren. Diese Differenzierung zwischen ihrer Wahrnehmung und Lebensbewältigung und derer der neurotypischen Menschen gelingt aber auch nur wenigen Asperger Autisten. Entweder sie halten sich selber für neurotypisch oder sie merken ihr Anderssein und können nur in einem für sie speziellen Umfeld (besonderer Arbeitsplatz, sehr rücksichtsvoller Partner...) ein gut erträgliches Leben in unserer Gesellschaft verbringen.
Diejenigen, die schwerer beeinträchtigt sind durch frühkindlichen (Kanner-)Autismus, verbringen ihr Leben als Erwachsene in der Regel in Behindertenwohnheimen.
Daneben gibt es noch etliche weitere Zwischenformen aus dem Spektrum der autistischen Störungen.
Desweiteren sind Angehörige von Autisten sehr wertvoll für die Aufklärung. Denn sie ziehen sie in der Regel von klein auf groß. (Mit einer Ausnahme: Bei immer mehr Menschen wird erst im Erwachsenenalter Asperger Autismus diagnostiziert).
Treten jedoch die Symptome spätestens im zweiten Lebensjahr auf, so beginnt für die Familien ein "Leidensweg". Zuerst das Trauma innerhalb der Mutter-Kind-Beziehung, dass das Kind die Mutter abzulehnen scheint und keinen Kontakt will. Dann die Auffälligkeiten beim Spielen, Essverhalten, bei der Sprachentwicklung und in fehlendem Sozialverhalten. Dann die negativen Reaktionen von Verwandten, Freunden und Bekannten, wenn sich das Kind zunehmend auffällig verhält (schreit, nicht gehorcht, sich nicht altersgemäß verhält...). Schließlich die Kritik volle Reaktion der Öffentlichkeit auf das unerzogene Kind und die unfähige Mutter.


Mir hat dabei mein Buch sehr geholfen. http://www.tiponi-verlag.de/leseprobe-ilse-gretenkord/
Alle ( über 80 Fremde, Freunde und Bekannte, die es bisher gelesen haben), sehen mein Enkelkind und uns jetzt mit ganz anderen Augen und haben Respekt vor der Aufgabe, ein solches Kind mit Liebe großzuziehen.


Jeder hat eine andere Art, über Autismus aufzuklären. Aber alle sollten es tun, damit diese Menschen würdige Mitglieder unserer Gesellschaft werden können.
   

Samstag, 17. Mai 2014

Ein autistisches Kind in fremden Händen?

Was denken und fühlen autistische Kinder? Was verletzt ihre zarte Seele?
Meine Enkelin ist ein fröhlicher kleiner Engel, der in seiner Welt sehr glücklich zu sein scheint. Aber sie benimmt sich nicht unbedingt kompatibel mit allen Regeln der Welt der neurotypischen Menschen. Sie muss erzogen werden, sie muss lernen, sich in einem gewissen Maß lernen, sich gesellschaftlichen Regeln anzupassen.
Aber wann, wie und wo lernt sie das?
Meine Tochter hat Angst, das Kind einem Kindergarten zu überlassen, weil sie nicht weiß, wie man dort mit der Kleinen umgeht, wenn sie sich heftig wehrt, laut schreit, sich nicht beruhigen und händeln lässt, Versuche macht, auszubüchsen, nicht sitzenbleibt, sich regeln nicht erklären lässt, weil sie Sprache nicht versteht. Sperrt man das Kind ein, weil sich das Personal natürlich auch um die vielen anderen Kinder kümmern muss? Lässt man sie stundenlang schreien? Ist jemand da, der versteht, warum sie schreit, weil sie ein für sie wichtiges Ritual nicht einhalten durfte?
Was ist, wenn das Kind nach Hause kommt und wegen fehlender Sprache nicht erzählen kann, wie es ihm ergangen ist? Welche seelischen Verletzungen hinterlässt eine Behandlung, die die Bedürfnisse dieses Kindes nicht berücksichtigen kann?
Die größte Sorge der Mutter ist, dass aus diesem fröhlichen, glücklichen Kind ein trauriges, unglückliches Wesen wird, das seinen Kummer niemandem anvertrauen kann.
Zur Klarstellung: Es geht in keiner Weise darum, irgendwelchen Erzieherinnen irgendetwas zu unterstellen. Es geht einfach darum, dass in einer Einrichtung, in der sich wenige Erwachsene um viele Kinder kümmern müssen, ein einzelnes Kind, das extrem schwierig ist, nicht allein mit all seinen Bedürfnissen berücksichtigt werden kann.