Autismusshirt

Autismusshirt

Sonntag, 29. Juni 2014

Was kann unsere fünfjährige frühkindliche Autistin - was kann sie nicht?

Die Diskrepanzen in den Fähigkeiten sind so groß.
Unsere Kleine kann nicht Dreirad fahren und keinen Ball werfen oder auffangen.
Dafür kann sie die Kaffeemaschine von A - Z bedienen.
Sie kann allein kein einfaches Puzzle zusammensetzen, was für Zweijährige bestimmt ist, weil sie es sich nicht einmal zeigen lässt.
Dafür kann sie nach zweimaligem Zusehen die Waschmaschine selbstständig bedienen.
Sie könnte niemals auf den Straßenverkehr achten und würde blindlings auf die Straße laufen.
Dafür weiß sie im Supermarkt genau, in welchem Regal welches Produkt liegt, zieht an der Kasse das Portemonnaie aus der Handtasche der Mama, holt einen Geldschein heraus und sortiert das Wechselgeld wieder sorgfältig ein.
Sie versteht keine Anweisungen, wenn man ihr ein Spiel erklären will oder sie auffordert, etwas aus ihrem Zimmer zu holen.
Dafür beherrscht sie die Fernbedienung des Fernsehers und den CD-Player vorbildlich.
Sie versteht nicht, dass sie uns die metacom-Symbole, die wir im Rahmen der unterstützten Kommunikation einsetzen, bringen soll, wenn sie etwas haben möchte. Dafür will sie lieber die Begriffe schreiben lernen.
Sie kann trotz hundertfachen Übens "Mama", "Opa", "Ball", "Hund", "Auto" und sonstige gängige Begriffe nicht sprechen.
Dafür zählt sie fehlerlos bis 20.


Wir wissen nicht, was in dem Köpfchen vor sich geht. Sie wird es uns auch nicht verraten. Deshalb sind wir oft so ratlos. 

Montag, 23. Juni 2014

Verreisen mit autistischen Kindern?

Vielfach tun sich autistische Kinder schwer mit Orts- und Umgebungsveränderungen. Selbst wenn im häuslichen Umfeld Möbel umgestellt oder Tapeten gewechselt werden, kommen sie damit nicht klar, weil sie damit das bisschen Sicherheit im Chaos ihrer Wahrnehmungswelt verlieren.
Deshalb können viele Familien mit autistischen Kindern nicht verreisen.
Bei meiner Enkelin liegt der Fall ganz anders. Sie hat keine Probleme mit fremden Umgebungen, Personen oder Örtlichkeiten. Trotzdem ist eine Übernachtung mit ihr außerhalb ihres eigenen Zimmers unmöglich.
Sie schläft ausschließlich, wenn niemand zusammen mit ihr im Zimmer ist.
Ein eigenes Zimmer in einem Hotel, einer Ferienwohnung o.ä. müsste so hergerichtet werden, dass es dort verschließbare Fenster, kein fließendes Wasser, nur gesicherte Steckdosen, keine Vorhänge, keine Möbel zum Klettern, keine Glühbirnen zum Rausdrehen etc. gibt. Die 5-jährige wird nachts wach und erkundet im Dunkeln ihr Umfeld. Sie verschiebt ganze Betten, klettert überall herauf, um an für sie interessante Dinge heran zu kommen. Sie würde das Bettzeug abziehen, Stuhlkissen von den Bezügen befreien und den Schaumstoff zerlegen, Bilder und Spiegel von den Wänden holen, und kleinere, nicht an den Wänden festgeschraubte Schränke verrücken oder sogar umkippen. In das Bett würde sie ihr Spielzeug packen und sich irgendwo einen Schlafplatz suchen.
Übernachten bei Freunden ist somit tabu - sie könnten kaum ein Zimmer für eine Nacht passend herrichten.
Übernachtung im Hotel mit passenden Vorgaben käme gar nicht in Frage - mit einem Kind, das nachts die Möbel rückt und dabei auch noch laut singt, wären wir am nächsten Tag rausgeflogen.
Ein Ferienhaus zu finden, das alle Bedingungen erfüllt, ist wie die Suche einer Stecknadel im Heuhaufen. 
Also bleibt alles beim Alten und wir bleiben mit der Kleinen zu Hause und träumen vom wohlverdienten Urlaub. 

Samstag, 21. Juni 2014

Wenn das Kind nur allein spielen möchte

Meine Enkelin hat seit einigen Wochen eine Duplo-Eisenbahn. Sobald sie morgens die Augen öffnet, möchte sie ihre Eisenbahn aufbauen und dann niemanden mehr in ihrem Zimmer haben. Zwischendurch kommt sie mal heraus gelaufen und möchte ein Gemüsegläschen essen. Dann aber zieht sie sich wieder zurück und wenn Mama in ihr Zimmer kommt, wird sie mit lauten Tönen, eindeutigen Gesten und kräftigem Schubsen aus dem Zimmer geschoben.
Wenn die Kleine das Spielen unterbrechen soll, weil ein Therapietermin ansteht und sie dafür fertig gemacht werden muss, beginnt ein großer Kampf. Sie schreit und wehrt sich nach Leibeskräften und ist mit nichts zu bewegen, den Anordnungen Folge zu leisten. Es gibt auch nichts, was wir ihr in Aussicht stellen können, um sie zu motivieren, das Haus zu verlassen.
Würden wir der Kleinen morgens versuchen, die Eisenbahn zu verweigern, um ihr zu verdeutlichen, dass nach dem Termin die Eisenbahn lockt, wäre die Hölle los. Sie ließe sich vor lauter Schreien und Toben nicht sagen bzw. durch Bildkarten erklären, dass wir erst aus dem Haus gehen müssen und sie danach mit der Eisenbahn spielen kann.
Haben wir es einmal geschafft, sie frisch gewickelt und angezogen aus dem Haus zu bekommen, machen ihr die Therapien, die Besuche bei Familien mit Kindern oder die Ausflüge durchaus Spaß. Aber nichts davon motiviert sie so, dass sie sich beim nächsten Mal dafür freiwillig aus ihrem Zimmer locken ließe, wo sie am liebsten allein spielt - unterbrochen durch ein wenig Essen und gelegentliche Kitzel-  und Kuscheleinheiten, die sie sich von Mama einfordert. 

Mittwoch, 18. Juni 2014

Autisten und ihr Kontrollzwang

Schon sehr früh haben wir gemerkt, dass meine kleine Enkelin sich partout nichts zeigen ließ und alles, was sie kann, autodiaktisch erlernte. Als sie die ersten Stapeltürmchen bekam, ließ sie es nicht zu, dass ihre Mama ihr zeigen wollte, dass das größte zuunterst kam und dann die weiteren folgten, bis das kleinste oben aufsaß. Sie schien sich überhaupt nicht für die Stapelbecher zu interessieren. Nach einer ganzen Weile jedoch sahen wir plötzlich, dass sie sie doch gestapelt hatte; doch nach ihrer Art. Genau der Größe nach - doch das kleinste war unten und das größte oben.
Sie ist jetzt 5 Jahre alt und hat seit langem die Diagnose frühkindlicher Autismus. Ein bekannter Autismusexperte bemerkte letztens, sie sei Autistin wie aus dem Handbuch - wegen ihres ausgeprägten Kontrollzwangs.
Für Autisten ist die Welt um sie herum chaotisch. Sie können Vieles nicht verstehen und einordnen. Sie verspüren nur dann Sicherheit, wenn sie sich ihre eigene Ordnung schaffen. Das geschieht bei manchen dadurch, dass sie über Situationen die totale Kontrolle gewinnen. Sie suchen sich Bereiche aus, die sie selber erlernen (durch Ausprobieren oder durch Abschauen) und dann eigenständig ausführen. Sei es der kreative Umgang mit ihrem Spielzeug oder mit technischen Geräten, sei es die vollständige Selbstbestimmung bei der Wahl der Kleidung und dem Zeitpunkt, wann sie sich anziehen möchten und und und.
Deshalb gibt es auch unendliche Kämpfe und Ausraster, wenn jemand ihnen diese Kontrolle nehmen will. Meine Enkelin ist nicht zu bändigen, wenn sie z.B. zu einem bestimmten Zeitpunkt angezogen sein soll, weil ein Termin wahrzunehmen ist. Sie schreit und wehrt sich aus Leibeskräften, weil sie die Notwendigkeit nicht versteht und der für sie falsche Zeitpunkt sie in die Unsicherheit der chaotischen Welt stürzt, was wahrscheinlich Panik in ihr auslöst.
Dann stehen die Angehörigen vor einem echten Dilemma. Hier geht es nicht darum, sich gegen den "einfachen" Trotz eines Kindes durchzusetzen. Hier gilt es erst einmal darum zu verstehen, warum das autistische Kind so heftig reagiert. Dann muss abgewogen werden, ob ein Termin so wichtig ist, dass es nötig ist, das Kind dafür so aus seiner Ordnung und Sicherheit zu reißen. Ist es unumgänglich (z.B. bei wichtigen Therapien, Untersuchungen oder Schulpflicht), so muss man viel Nerven und Geduld aufbringen, um mit dem Kind die Situation durchzuhalten, bis es sich (u.U. erst nach Stunden) beruhigt hat und fähig ist, die Kontrolle abzugeben.

Freitag, 13. Juni 2014

Frust-Verarbeitung

Es ist wieder einmal Sommer.
Meine Tochter und ich schwelgen in Erinnerungen an die Ausflüge und Reisen, die sie als Fünfjährige schon mit uns damals erleben durfte. Wie gerne würde sie jetzt die sonnigen Tage nutzen, um ihrem Töchterchen Vieles von dem zu zeigen, was sie selber als Kind schon so toll fand. Ausflüge in den Zoo, auf riesige Spielplätze, Reisen an die See, Fahrten im Schlafwagen und auf großen Fähren, Ferien auf dem Bauernhof, im Kinderland .....
Momentan jedoch hat ihr autistisches Töchterchen eine Phase, in der sie mit nichts aus ihrem Zimmer von ihrer Duplo-Eisenbahn wegzulocken ist, mit der sie stundenlang spielen möchte. Ab und an läuft die Kleine für ein Stündchen in den Garten zum Sandkasten. Sie wehrt sich heftigst dagegen, sich anziehen zu lassen, um irgendwo hinzufahren. Sie ist glücklich in ihrer kleinen Welt, mit ihrem Spielzeug in ihrer gewohnten Umgebung.
Sollen wir sie zwingen, mit uns das Haus zu verlassen, um beispielsweise im Zoo nur ansatzweise von einigen Tieren Notiz zu nehmen? Sollen wir mit ihr eine Reise unternehmen, die letztendlich nur Stress für alle bedeutet?
Doch die Gefühle einer Mutter sind ambivalent: Sie möchte, dass ihr Kind glücklich ist, ist aber gleichzeitig unglücklich darüber, dass sie es nicht damit glücklich machen kann, worüber sie sich als Kind sehr gefreut hat und sich auch heute die anderen (neurotypischen) Kinder freuen würden.  

Mittwoch, 11. Juni 2014

Autisten und die Gesellschaft

Viele erwachsene Asperger Autisten, die weitestgehend selbstbestimmt ihr Leben meistern können, möchten sich vielfach nicht beliebig verbiegen und mehr als nötig anpassen. Sie schätzen es sogar, einige Vorteile ihrer autistischen "Stärken" besonders zu betonen und möchten nicht zu neurotypischen Menschen umgepoolt werden.
Das ist durchaus verständlich; denn sie finden sich in der Gesellschaft zurecht, fallen zwar auf, können aber trotzdem ihre Nische dort finden.  


Wie aber verhält es sich mit der schwierigen Erziehung von Kindern mit frühkindlichem Autismus, die nicht verstehen, warum sie bestimmte Verhaltensweisen lernen müssen, um sich im Kindergarten, spätestens in der Schule überhaupt zurecht zu finden? Sie sollten wenigstens wissen, dass sie
- bekleidet, gewaschen und gekämmt dorthin kommen sollen
- meist auf einem Platz sitzen bleiben sollten
- den anderen Kindern nichts wegnehmen dürfen
- unter Hilfestellungen angemessene Aufgaben erledigen müssen
- mit Essen nicht um sich werfen können
- nicht beliebig den Raum verlassen dürfen
Doch schon dafür sind im Elternhaus viele Kämpfe nötig, um einem solchen Kind, das Sprache und Erklärungen nicht versteht, was Erziehung extrem schwierig macht, diese einfachen Verhaltensregeln beizubringen.
Es geht also um die Frage, was Autisten mindestens erlernen müssen, um ein Minimum an Kompatibilität mit der neurotypischen Gesellschaft zu erreichen?







Sonntag, 8. Juni 2014

Das Riesenproblem mit dem Anziehen und ungewöhnliche Nachtbekleidung

Seit Monaten ist es in der Regel nur mit zwei Personen möglich unter hohem Zeitaufwand, meine fünfjährige Enkelin zum Anziehen zu bewegen. Hinterherrennen, Einreden auf das Kind, Locken mit Bildern oder Einkaufstasche sind das Mindeste, um zu erreichen, dass sie sich aufs Anziehen einlässt. Wenn alles nicht hilft und wichtige Termine eingehalten werden müssen, ist „Zwang“ nötig. Die Kleine wehrt sich dann mit aller Kraft. Hat man es endlich geschafft, ihr den Body anzuziehen und greift nach dem nächsten Kleidungsstück, hat sie sich den Body schon wieder vom Körper gerissen. Vor wichtigen Terminen müssen bis zu zwei Stunden Zeit allein fürs Anziehen einkalkuliert werden, damit eine Chance besteht, rechtzeitig fertig zu werden.
Seit mehr als zwei Jahren bestimmt die Kleine, was sie nachts anziehen möchte. Lässt man sie nicht gewähren, ist an schlafen nicht zu denken. Gerade in heißen, schwülen Sommernächten ist ihre Auswahl besonders kurios. Was sie sich im letzten Sommer anzog, habe ich ausführlich in meinem Buch beschrieben.
An diesem heißen Pfingstwochenende wählte sie am ersten Abend 3 Bodys, 2 davon langärmlig; wir konnten mit Mühe verhindern, dass sie mit langärmligen Pullis fortfuhr. Stattdessen wurden es 5 T-Shirts, die über die Bodys gezogen werden mussten. Die 3 weiteren, die sie noch ausgewählt hatte, kosteten ebenfalls viel Zeit und Tricks, um sie wieder in den Korb zurück zu befördern. Dann kam die dickste Strumpfhose, die sie besitzt. Auch da half nur eine List, um zu verdeutlichen, dass eine weitere nicht mehr darüber passte. Natürlich jedoch bestand sie noch auf einer Überhose in Form einer langbeinigen Jogginghose. 
Am zweiten Abend waren ihre Kleidchen gewaschen aus dem Trockner gekommen und dann ging es los. 2 Bodys, alle 5 Kleidchen übereinander - das sechste war nicht elastisch und passte deshalb nicht auch noch -.Wieder eine dicke Strumpfhose und diesmal unter den Kleidern über der Strumpfhose eine Thermohose.


Die Leser werden sich fragen, warum das Kind im Sommer überhaupt an langärmlige Pullis, Strumpfhosen und Thermohosen heran kommt. Ganz einfach: Sie erinnert sich an alles, was sie hat und stünde sonst weitere Stunden schreiend vor dem abgeschlossenen Kleiderschrank, um die gewünschten Kleidungsstücke einzufordern. Sie möchte wählen; deshalb liegen ihre Sachen in drei Wäschekörben und sie sucht aus. 
Anfangs hatten wir mächtig Sorge, das Kind trüge Schaden davon, wenn es in heißen Sommernächten viel zu warm bekleidet schlafen ginge. Doch morgens wacht sie fröhlich auf und hat nicht einmal geschwitzt.

Samstag, 7. Juni 2014

Fremder "Babysitter" wäre unmöglich

Inzwischen ist hinreichend bekannt, dass ich meine fünfjährige Enkelin zusammen mit meiner Tochter großziehe. Wir machen fast alles zusammen, doch in den letzten Monaten hat sich seitens der Kleinen eingebürgert, dass Mama allein das fast zweistündige Zubettgehritual (nicht eingerechnet ist die vorangehende Körperpflege) durchziehen muss. Oma wird meist aus dem Zimmer "geworfen". Nur an einer Stelle, beim "Anziehen der Strumpfhose" muss ich kommen - das darf die Mama nicht. Trotzdem weiß ich so ungefähr, wie das Ritual abläuft, was alles beachtet werden muss, damit unser Schatz endlich zufrieden den Tag beendet. Wenn also meine Tochter gegen Spätnachmittag einmal unvermeidbar dringend einen längeren Termin wahrnehmen muss, kann nur ich das Kind ins Bett bringen. Jeder noch so gut gemeinte Familien unterstützende Dienst würde sich die Zähne ausbeißen und die Kleine bliebe - immer müder und reizüberfluteter - so lange auf, bis die Mama wieder da wäre.
Dann jedoch wäre die Kleine so überlastet, dass an ein ruhiges Zubettbringen nicht mehr zu denken ist.
Das Kind hätte grundsätzlich gar nichts gegen die Person, die bereit wäre, das Abendritual zu übernehmen. Nur - sie kennt dieses nicht. Und genau das stellt das Problem dar. Da die Kleine nicht spricht, kann sie nicht sagen, was als Nächstes und wie genau gemacht werden muss. Aufschreiben kann man so etwas nicht mit allen Details; man würde bestimmt viel zu viel vergessen. Wer welchen Lichtschalter wann in welcher Reihenfolge an- oder auszumachen hat - dafür bedürfte es schon eines professionellen Regiebuches. Wer jedoch, wie ich, die Kleine sehr gut kennt, darf sich schon mal einen kleinen Patzer oder eine Vergesslichkeit erlauben. Ich verstehe ihre Gesten und wenn etwas nicht ganz stimmt, weist sie mich dann entsprechend darauf hin, dass ich etwas falsch gemacht oder ausgelassen habe. Dann dauert es höchstens etwas länger, wenn ein Schritt wiederholt werden muss. Vor allen Dingen ist das Windelnwechseln und das Anziehen ein Kapitel für sich. Davon werde ich das nächste Mal eigens berichten.



Mittwoch, 4. Juni 2014

Umgang mit Kritik

"Nobody is perfect".
Ich bin alt, gebildet und belesen genug, um souverän mit Kritik umgehen zu können. Das mag jetzt arrogant klingen, ist aber nicht so gemeint.
Es gibt immer Menschen, die es besser wissen wollen und es gibt Menschen, die Vieles tatsächlich besser wissen.
Aber wer weiß schon wirklich zu hundert Prozent über das Phänomen "Autismus" Bescheid? Da muss man sich an den gängigen Stand der Forschung halten, an die Vorgaben der Behörden und an die eigenen Erfahrungen.
Bisher wurde im Bereich des Autismus grob unterschieden zwischen frühkindlichem Autismus (Kanner), Asperger-Autismus, atypischem Autismus und noch einigen Unterformen des frühkindlichen (HFA, IFA, LFA). Da jedoch die Abgrenzungen oft schwierig sind, wird es in Zukunft nur noch die Bezeichnung ASS: Autismus Spektrum Störung geben.
Nichtsdestotrotz: Meine Enkelin hat sehr früh die Diagnose "frühkindlicher Autismus" bekommen, die als schwere Behinderung gilt. Deshalb hat sie sofort einen Schwerbehindertenausweis über 100% bekommen, obwohl sie keine weitere Beeinträchtigung hat. Außerdem hohe PS. Zusätzlich habe ich mich intensiv (in Vorlesungsskripten von Universitäten) belesen, wie die Zukunftsaussichten für diese Kinder sind. Demnach bleibt ein sehr hoher Prozentsatz dieser Menschen ein Leben lang voll betreuungsbedürftig.
Ich habe diesen Blog begonnen, um neben den Erfahrungen im Umgang mit einem betroffenen Kind, die ich bereits in meinem Buch "Fanti, das kleine Schlitzohr - Leben mit einem autistischen Kleinkind" http://www.tiponi-verlag.de/leseprobe-ilse-gretenkord/ ausgedrückt habe, weitere Themen anzusprechen. Ein Blog ist keine wissenschaftliche Plattform sondern gibt viele persönliche Erfahrungen und Meinungen wieder. Negative Kritik an meinen Beiträgen bleibt jedem frei.
Die unzähligen positiven Rückmeldungen zu meinem Buch bestätigen mich dabei, meinen Blog in dieser Weise fortzusetzen.

Dienstag, 3. Juni 2014

Schwere Lebenskrise in neue Perspektiven umwandeln

Meine fünfjährige Enkelin, die ich zusammen mit meiner alleinstehenden Tochter großziehe, hat frühkindlichen Autismus. Das ist eine schwere Behinderung, die das Leben der Angehörigen total auf den Kopf stellt. Sie verändert den gesamten Tagesablauf, die Wohnsituation, die persönlichen Kontakte, verhindert Freizeit und Reisen und kostet Kraft bis an den Rand des burn-outs. Trotzdem lieben wir diesen kleinen Engel über alles.

Um diese tiefgreifende Lebensveränderung zu verkraften, habe ich ein Buch geschrieben, das erst am 1.5.14 erschienen ist.
http://www.tiponi-verlag.de/leseprobe-ilse-gretenkord/
Der große Erfolg dieses Buches stellt einen Lichtblick dar; verknüpft mit diesem Buch ist der Plan, dass meine Tochter und ich die Gründung eines Vereins zur Hilfe für Kanner-Autisten und ihre Angehörigen initiieren. Denn 50% des Reinerlöses aus dem Buchverkauf werden in die Vereinskasse fließen. Ich selber werde mich in Zukunft stark machen dafür, dass (bei steigender Anzahl von Autisten) die Öffentlichkeit stärker über dieses "mysteriöse Phänomen" aufgeklärt wird. Das soll verhindern, dass diese Kinder gemobbt und ihre Eltern gemieden werden, weil sie ein "eigenartiges, unerzogenes und verrücktes" Kind haben.
Somit wird diese unerwartete Lebenskrise positiv umgewandelt in soziales Engagement.

Sonntag, 1. Juni 2014

Die besondere Liebe zu besonderen Kindern

Von autistischen Kindern Liebe zu erwarten, führt manchmal zu Enttäuschungen. Meine Enkelin strahlt mich an, wenn ich von einem bestimmten Einkauf wiederkomme - aber nur deshalb, weil sie auf das Produkt gewartet hat, das ich ihr mitgebracht habe. Sie läuft mir jauchzend entgegen, wenn ich ins Haus komme, aber nur, weil sie möchte, dass ich ihr dabei helfe, die Strumpfhose anzuziehen. Sie wirft sich dem Opa in die Arme, aber nur, weil sie möchte, dass er sie dann herum schwenkt. Sie legt sich quietschend vor Mama auf den Boden und verlangt nach ihr, aber nur, weil sie von ihr gekitzelt werden möchte.
Viele Autisten benutzen ihre Mitmenschen (nur) dazu, dass sie ihnen ihre Bedürfnisse erfüllen.
Und trotzdem: Wer kann dem strahlenden Lächeln eines solchen Kindes widerstehen, das noch eine Weile zuvor nicht in der Lage war, überhaupt von sich aus Kontakt aufzunehmen? Wer nimmt es nicht gerne zum Herumschwenken hoch, weil es jetzt in der Lage ist, auf den Opa zu statt an ihm achtlos vorbei zu laufen, so als existiere er gar nicht? Welche Oma würde sich nicht freuen, dass gerade sie jetzt die Strumpfhose anziehen darf? War es doch in den ersten Lebensjahren dem Kind völlig egal, von wem es versorgt wurde. Somit ist auch die Mama begeistert, dass nur sie für bestimmte Tätigkeiten zuständig sein darf und nicht mehr austauschbar ist.
Menschen, die nicht bereit sind, sich in das Sosein autistischer Kinder hinein zu versetzen, könnten sich beleidigt von diesen abwenden, weil sie nicht nur Mittel zum Zweck sein wollen. Wer jedoch bereit ist, ein solch besonderes Kind ohne Wenn und Aber zu lieben, dem wird das Herz aufgehen beim ersten Lächeln, bei der ersten Kontaktaufnahme, beim ersten Entgegenrennen und bei jeder Aufforderung seitens des Kindes, etwas für oder mit ihm zu tun.
Das ist so unvergleichlich schön und entschädigt für alles, wenn der kleine Engel glücklich strahlt.