Autismusshirt

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Donnerstag, 8. Oktober 2015

Wie schön muss doch Schule sein

Montagmorgen, 1. Tag der Herbstferien. Plötzlich ertönt aus dem Kinderzimmer meiner 6-jährigen Enkelin mit frühkindlichem Autismus gegen 7.00h lautes Geschrei: „Mama, Schule, Schule, Schule, Mama, Schule, Schule!!!“
Ganz entsetzt hatte die Kleine auf der Uhr erkannt, dass es Zeit war für das Schultaxi, das sie morgens um diese Zeit nun schon seit mehr als sechs Wochen zur Förderschule abholte. Nur mit Mühe ließ sie sich an dem von mir eigens für sie erstellten Sonderkalender von Mama zeigen, dass jetzt ganz viele Tage kommen, an denen keine Schule ist. Ganz enttäuscht war sie, als es ihr nicht gelang, den Zeitschieber auf die Daten zu rücken, die wieder für Schultage stehen. Schließlich gab sie auf und stellte ihre Schultasche, die sie schon geschnappt hatte, wieder in die Ecke.
Da meine Enkelin auf Grund ihres frühkindlichen Autismus nur einzelne Wörter spricht, kann sie leider nicht verbal ausdrücken, warum sie so gerne in die Schule geht. Aber jeden einzelnen Tag freut sie sich riesig darauf, wartet schon morgens eine halbe Stunde zu früh auf das Schultaxi. Dafür sitzt sie bei jedem Wetter auf einem Stuhl hinter dem verschlossenen Gartentor und rennt bei Ankunft des Wagens zusammen mit Mama freudig darauf zu, um zu den anderen Kindern zuzusteigen. Nach Auskunft des Fahrers und der Begleiterin ist Helena Marie während Hin- und Rückfahrt durchgehend gut gelaunt, singt oder schnattert (in autistisch) unaufhörlich und macht auf ihre Art jedes Mal darauf aufmerksam, wie gefahren werden muss und wo welches Kind abzuholen oder wieder abzusetzen ist. Schon nach zwei Tagen nämlich kannte sie die lange Fahrstrecke bereits haargenau.
In der Schule selber scheint sie die Lehrerinnen stets stürmisch zu begrüßen und hat in der kleinen Klasse schon Freundinnen gefunden. Trotz ihres frühkindlichen Autismus ist die Kleine sehr kontaktfreudig und für alles Neue aufgeschlossen. Deshalb bietet die Schule ihr täglich ganz viele neue Anregungen, was ihr alles offenbar viel Freude bereitet.
In dieser Förderschule stehen 8 Schülern bis zu 4 Lehrer bzw. Betreuer zur Verfügung, so dass jedes Kind auch individuell gefördert werden kann. Es ist phantastisch, dass es noch solche Schulen gibt; denn im Rahmen der hoch gepriesenen Inklusion würde ein Kind wie meine Enkelin auf der Strecke bleiben.
Die Kleine hat einen Jungen (ebenfalls frühkindlicher Autist) in der Klasse, dessen Eltern ihren Sohn mit rechtlicher Gewalt ein Jahr zuvor in eine Regelschule geschickt hatten, um ihr Recht auf Inklusion durchzusetzen. Der Junge hat ein Jahr gelitten und seine Symptomatik sich stark verschlimmert. Er schreit sehr viel und lässt sich kaum noch bändigen. Nach einem Jahr Regelschule, das für ihn, seine Mitschüler und seine Lehrer eine Katastrophe war, wurde der Junge zwangsverwiesen auf die Förderschule. Für dieses Kind hat Schule nichts Schönes mehr. Er ist verschreckt fürs Leben, weil er bereits traumatische Erfahrungen gemacht hat durch uneinsichtige Eltern, die aus uns bekannten Gründen ihren Sohn nicht auf diese Förderschule schicken wollten.
Meine Enkelin jedoch darf in einem Umfeld lernen, das ihr gut tut und ihr den nötigen Schutzraum bietet, Das genießt sie, da sie gerne lernt im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Deshalb vermisst sie die Schule, wenn Ferien sind.


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