Autismusshirt

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Samstag, 27. Dezember 2014

Autisten und ihre Art der Empathie

Liebe Leser,
noch in der Nacht habe ich mit einem erwachsenen Kanner-Autisten telefoniert, um mit ihm über "Empathie" zu sprechen. Dieser Autist ist in der Lage, sehr gut seine (autistische)Sichtweise neurotypischen Menschen zu erklären. Durch ihn habe ich mehr über Autismus, ihre Welt, ihr Denken und Fühlen gelernt als durch sämtliche wissenschaftlichen Schriften und Bücher, die von neurotypischen Verfassern geschrieben wurden.
Er sprach lange und differenziert.
Zunächst einmal unterschied er zwischen kognitiver und emotionaler Empathie.
So gut wie nicht vorhandene kognitive Empathie, also das Nicht-Erkennen und Nicht-Verstehen von Gefühlen anderer (Theory of Mind) ist ein wesentliches Kriterium zur Charakteristik der Autismus-Spektrum-Störung. Autisten ist es nicht möglich, die Perspektive zu wechseln und sich in einen anderen hinein zu versetzen.
Emotionale Empathie, also die Reaktion auf Gefühle anderer ist Autisten möglich; allerdings, so stimmt er mit vielen Autisten überein, müsse er das Gefühl selber kennen gelernt oder eine Situation selber bereits einmal erlebt haben.   
Er schlug mir vor, die Blogs "innerwelt" und den von Gerhard Gaudard vorzuschlagen, was dort die Autistin bzw. der Autist selber über Empathie sagen.
Weiterhin erzählte mein Bekannter mir von einer Freundin, die gerne die emotionale Empathie von Autisten mit der Empathie von Katzen vergleicht: Sie holen sich Schmuse- und Streicheleinheiten ab, wenn sie sie brauchen. Ansonsten ziehen sie sich zurück. Diesen Vergleich möchte ich kommentarlos stehenlassen, obwohl er momentan sehr gut auf das Verhalten meiner Enkelin zutrifft.
Grundsätzlich würde ich mehr der Aussage einer Pferde- und Hundenärrin zustimmen, die mir oft von ihren Tieren erzählt. "Mein Pferd ist autistisch. Das Tier braucht eine feste Routine und ist höchst sensibel, schreckt bei Bewegungen und lauten Geräuschen auf und scheut vor fremden Berührungen zurück. Aber meinen autistischen Sohn lässt er in jeder Hinsicht gewähren. Und wenn ich mal schlecht drauf bin, legt er seinen Kopf auf meine Schulter, schnaubt ganz leise, beknabbert mich ganz vorsichtig und stuppst mich so lange an, bis ich lächle und ihn dankbar lobend klopfe."
"Meinen Bobby (eine Promenadenmischung) leihe ich manchmal ein ganzes Wochenende meiner Freundin aus. Danach strahlt sie wieder und versichert mir: <Bobby hat sofort gemerkt, wo bei mir der Schuh drückte und mich vom Schreibtisch weggelockt, obwohl er wahnsinnig gerne stundenlang faul auf meinem Fell vor dem Kamin liegt. Ohne ihn wäre der Schreibtisch zwar jetzt leer, aber ich ginge heute mürrisch, müde und überarbeitet in die neue Arbeitswoche. So habe ich super viel Spaß und Bewegung an der frischen Luft gehabt, bin netten Leuten begegnet und fühle mich wie neu.>".
Nach Auffassung der Pferde- und Hundenärrin scheinen besonders diese Tierarten menschliche Gefühle zu spüren und darauf adäquat zu reagieren. Das ist auch der Grund, dass bei tiergestützter Therapie für Autisten Pferde, Hunde (und auch Delphine) zum Einsatz kommen, um an dem Defizit der unterentwickelten sozialen Kompetenz zu arbeiten.
Wie dem auch sei:
Ich komme zurück zu autistischen Menschen mit ihrer individuellen, eigenen Auffassung ihrer Selbst und ihrer Umwelt.
Empathie im Zusammenhang mit Autismus hängt sehr von der Definition ab. Im Sinne der kognitiven fehlt sie in hohem Maße, im Sinne der emotionalen liegt sie - aus meiner Sicht - auf einer anderen Ebene der Wahrnehmung. In dem Wort "anders" liegt keinerlei Wertung. 




                  

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